Problem erkannt: 2009
Die Redewendung „Problem erkannt, Gefahr gebannt“ wird in der Regel eher für eine schnelle Problemlösung benutzt. Dass die Reform der Luxemburger „Police grand-ducale“ schnell vonstatten geht, kann man derweil nicht behaupten: 2009 bereits wird im Regierungsprogramm der damaligen CSV-LSAP- Koalition festgehalten, dass Reformbedarf bestehe.

Zehn Jahre nach dem Gesetz vom 31. Mai 1999, das „Police“ und „Gendarmerie“ mit Wirkung ab 1. Januar 2000 fusionierte, war allgemein anerkannt, dass die Fusion gut war; einige Probleme aber Bestand hatten bzw. durch die Fusion entstanden waren, und dass demzufolge nachgebessert werden müsse. Dieser Konsens besteht auch heute noch – nur konkret passiert ist immer noch nichts.
Chronologie
Der damalige Innenminister Jean-Marie Halsdorf (CSV), ebenfalls zuständig für innere Sicherheit, gab in der zuständigen parlamentarischen Kommission 2009 als Zeitpunkt das zweite Semester 2011 an.
Im November 2011 und Juli 2012 wurden in dieser Kommission auf Antrag von Abgeordneten Personalmangel in der Polizei im Allgemeinen und der Kriminalpolizei im Besonderen diskutiert.
Ebenfalls 2012 mehrten sich parlamentarische Fragen und „Gerüchte“ zum Thema, die am 4. Dezember in einer Aktualitätsstunde im Parlament „gipfelten“. Der Abgeordnete Camille Gira („déi gréng“) präsentierte damals eine Motion, die u.a. ein externes Audit der Polizei forderte. Die gleiche Forderung kam in dieser Sitzung von Claudia Dall Agnol (LSAP) und Xavier Bettel (DP). Die Motion wurde abgelehnt.
Einer der Hauptvorwürfe war denn auch gewesen, dass die vom Minister in Auftrag gegebene Bestandsaufnahme von der Polizei selbst durchgeführt wurde. Anscheinend gab es damals auch ein „avant-projet de loi“, das dem Vernehmen nach kaum ein Abgeordneter zu sehen bekam. Gira sprach vom sprichwörtlichen „stillen Kämmerlein“ und auch davon, dass die „Reform am Intérêt vun e puer Leit an der Police, haaptsächlech uewen an der Police, arrangéiert gëtt.“
„Highlight“ der Gira-Intervention war der Vorwurf an den damaligen Polizei-Generaldirektor – Romain Nettgen (ging Anfang 2015 in Pension und wurde von Philippe Schrantz abgelöst) –, den Abgeordneten bei einem privaten Anlass „angepöbelt“ zu haben und ihn quasi aufgefordert zu haben, in diesem Dossier Ruhe zu geben (Video auf Tageblatt.lu ).
Die Quintessenz der Antwort von Jean-Marie Halsdorf, was den Zeitrahmen angeht, war, dass er „keine Lust“ habe, noch zusätzliche Zeit mit einem externen Audit zu verlieren. Am 4. Juli 2013 dann präsentierte er in der zuständigen Parlamentskommission die Ergebnisse der zwischen 2010 und 2012 intern durchgeführten Analyse der Polizei. Zum oben erwähnten „avant-projet“ hieß es lediglich, die Arbeiten seien abgeschlossen. So weit der Versuch einer Chronologie, ehe hinlänglich bekannte Ereignisse zu Neuwahlen im Herbst 2013 führten und alle ministeriellen und parlamentarischen Arbeiten zunächst unterbrachen.
Personal
Total am 1.1.2016: 2.199 Personen. Davon Polizisten: 1.467 „inspecteurs“, 258 „brigadiers“ und 72 „cadres supérieurs“;
155 Polizeischüler. Zivilpersonal insgesamt: 247; davon 71 „fonctionnaires civils“. 25 Externe.
Quelle: Jahresbericht 2015 der Polizei
Sechs Gruppen
In der neuen Regierung wurde Etienne Schneider (LSAP) Vizepremier und u.a. zuständig für innere Sicherheit. Die innere Sicherheit erhielt wieder eine eigenständige parlamentarische Kommission („Commission de la force publique“), nachdem sie zuvor „Mitläufer“ in der „Intérieur“-Kommission war. Vorsitzende wurde Claudia Dall Agnol (LSAP). Schneider gab ein externes Audit in Auftrag, bei dem laut vorliegenden Zahlen wohl über die Hälfte des Polizei-Personalbestands in irgendeiner Form ihren Beitrag leisten konnte. Sechs Arbeitsgruppen, in die sich 132 Personen gemeldet hatten, tagten rund 60 Mal. Ende Juli präsentierte Schneider die Reform, deren Text noch nicht auf www.chd.lu verfügbar ist, mit dem bekannten „Intermezzo“ um PJ-Chef Jeff Neuens.
Zahlen zum Audit
129 Dokumente erhielt die Audit-Firma „Mindforest“ von der Polizei zur Analyse des Ist-Zustands, 480 Interviews mit Polizeibeamten fanden statt, 959 Online-Fragebögen wurden von Polizisten ausgefüllt, 191 freie Texte wurden zusätzlich von Beamten eingereicht, 63 Strukturen der Polizei wurden in Gesprächen angehört.
Quelle: Pressekonferenz von Etienne Schneider am 4.4.2016
Bei diesem „Intermezzo“ stand eine Berufsgruppe innerhalb der Polizei im Fokus: die „Police juciciaire“. Seit Mitte 2015 gab es zudem immer wieder mehr oder weniger scharfe Kritik seitens der größten Polizeigewerkschaft SNPGL. Diese beiden Tatsachen lenken den Blick auf einen anderen Aspekt des Problems: verschiedenste Gewerkschaften, resp. Berufsgruppen-Vertretungen, die zufriedengestellt werden wollen. Seit einer Abspaltung Ende 2015 ganze sechs an der Zahl.
Vier von ihnen (ACSP, APJ, SPCPG, APUC) hatten sich im Juli 2015 in einer gemeinsamen Mitteilung nach dem Audit positiv gestimmt gezeigt; hierauf reagierte die SNPGL in einer Mitteilung mit dem Hinweis, dass sie mehr als 75% des Personals repräsentiere, nicht genügend beim Audit eingebunden gewesen sei, und drückte ihr „mécontentement et sa déception la plus profonde“ gegenüber dem Audit aus. Hierzu kann man Etienne Schneider zitieren aus seiner Rede beim offiziellen Stabwechsel von Nettgen zu Schrantz: „Die Solidarität innerhalb des Korps ist ebenfalls eine große Herausforderung. Die Spaltung zwischen den verschiedenen Berufsgruppen und ‚Carrièren‘, die muss aufhören.“ Oder wie es Dall Agnol schon mehrfach und zuletzt bei der Orientierungsdebatte Ende Juni im Parlament formulierte: „Et gëtt nëmmen eng Police – an déi soll als e Ganzt reforméiert ginn.“ Korpsgeist Als Sahnehäubchen auf das Ganze setze man noch den berühmt-berüchtigten militärischen Korpsgeist (Polizei-Generaldirektor pöbelt Abgeordneten an; man erinnere sich auch an Auftritte von Offizieren im „Bommeleeër“-Zeugenstand), und dann hat man vielleicht den Ansatz einer Erklärung, wieso das „Problem Polizeireform“ seit 2009 seiner Lösung harrt. Vertretungen SNPGL: repräsentative Gewerkschaft, vertritt nach eigener Aussage (Juli 2015) mehr als 75% des Personals ASPOL: Abspaltung, neue Gewerkschaft seit Ende 2015 ACSP: „cadres supérieurs“ APPJ: Kriminalpolizei („Police judiciaire“) SPCPG: Zivilpersonal APUC: universitäres Zivilpersonal
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