Pünktlich 8.00: Morgenappell in der Polizeischule auf Verlorenkost
Spannende Zeiten in Uniform
Ein Blick hinter die Kulissen der Polizeiausbildung und der Polizeischule in Hamm
luxemburg/hamm
ingo zwank
Nathan Müller, 22 Jahre aus Oberwampach, und Marielle Reding, ebenfalls 22 aus Niederanven, stehen pünktlich um 8.00 zusammen mit ihren Kollegen vor dem Hauptgebäude der Polizeischule in Hamm. Morgenappell! Das zweite Ausbildungsjahr der Polizeischüler ist angetreten. Ein Vorgesetzter erscheint und nimmt die Meldungen entgegen. War etwas Besonderes? Ist jemand krank? Die Klassensprecher erstatten Bericht. Dann ergreift der Vorgesetzte das Wort. Die Schüler werden
noch einmal an ihre Stunden erinnert, die sie anwesend sein müssen. „Merkt Euch einfach die Uhrzeiten, und vor Ende verlässt keiner die Schule“, sagt der Vorgesetzte, in recht energischem Ton. Das kommt an! „Danach geht es in den jeweiligen Unterricht“, berichtet Daniel Schmit, „Commissaire“, der unter anderem für die Festlegung des Stundenplans an der Polizeischule mit verantwortlich ist. Gleich steht übrigens Französisch an. Müller und Reding haben 2015 mit ihrer Polizeiausbildung begonnen. „Ich direkt nach der Schule“, sagt Müller. Reding hingegen begann mit einem Architekturstudium. „Dann habe ich gemerkt, dass das aber nichts für mich ist. Ich hatte schon vorher die Idee, zur Polizei zu
gehen, das habe ich dann auch gemacht.“ Was den Reiz an der Polizeiarbeit ausmacht? „Man weiß eben nie, was einen erwartet, es ist die Abwechslung“, sagen die beiden. Für die beiden steht im zweiten Ausblidungsjahr unter anderem Deutsch (46 Stunden), Französisch (62), Waffenkunde (58), Rechtskunde (126), „Technique judiciaire“ (144) oder auch „Polizei und Gesellschaft“ mit 98 Stunden auf dem Stundenplan. „Sport und Fitness“ ist mit 140 Stunden auf dem Lehrplan zu finden, ergänzt Gilbert Feller, „Commissaire-en-chef“. Feller und Schmit geben darüber hinaus auch selbst Unterricht an der Sportschule. Für die angehenden Beamten gibt es so einiges zu pauken. Doch im zweiten Ausbildungsjahr sind die Schüler nicht mehr kaserniert. „Das ist in gewisser Weise schade, dadurch geht das gemeinsame Lernen verloren“, resümieren die beiden Schüler. Hinzu kommt die Fahrerei, jeden Tag in die Schule, das kostet Zeit, die einem beim Pauken eben verlorengeht. Und Korpsgeist mit Gemeinschaftsgefühl fördernd ist es auch nicht, hört man immer wieder von den erfahrenen Altgedienten. Das führt dazu, dass sich einige Schüler zusammen eine Wohnung genommen haben, um näher an der Schule zu sein. Doch bevor man sich diese Gedanken machen muss, steht erst mal das Auswahlverfahren an, denn hier wird bereits etwas „ausgesiebt“.
Die ersten Schritte als angehender Polizist .
Natürlich müssen die angehenden Polizisten Luxemburger Staatsbürger sein, im Alter von 17 bis 30 Jahre (Anmerkung: Noch 30, könnte dieses Grenze doch aufgehoben werden) und
mindestens fünf Jahre Sekundarschule abgeschlossen haben. Zwei Wochen nach Ende der Einschreibungsfrist wird den Anwärtern auf dem Postweg der Lernstoff für die schriftlichen luxemburg/hamm
„Das gemeinsame Lernen geht verloren“
NATHAN MÜLLER, Polizeischüler im zweiten Ausbildungsjahr
Tests zugestellt. „Getestet werden neben den Sprachkenntnissen in Französisch, Deutsch, Englisch und Luxemburgisch auch Kenntnisse in Bürgerkunde“, berichten die Ausbilder, ebenso die Fitness, unter anderem mit einem Cooper-Test, einem Zwölf-Minuten-Lauf. Jungs müssen mindestens 2.250 Meter, Mädchen 2.000 Meter schaffen. Die jungen Männer müssen ferner 100 Meter in weniger als 16 Sekunden (Mädchen 17,5 Sek.) laufen und aus dem Stand zwei Meter weit springen (Mädchen:
1,70 Meter weit). Im Sitzen muss dann noch ein drei Kilo schwerer Medizinball 4,50 Meter (3,50 Meter) geworfen werden. Ist das gepackt, beginnt der Ernst des Lebens. Auf dem Schießstand im Reckenthal steht am Nachmittag für das zweite Ausbildungsjahr etwas Waffenkunde und Schießtraining auf dem Stundenplan. Jean-Claude Heirentz, „Commissaire-en-chef“, ist verantwortlich auf dem Platz und nimmt die angetretenen Schüler in Empfang. Winchester-Schießen steht an. Da zwei der Schüler noch nicht damit geschossen haben, erklärt Heirentz die notwendigen Kontrollgriffe beim Laden und Entladen der doch etwas unüblichen Polizei- Langwaffe. „Einige Reviere haben aber noch diese Waffe“, erklärt Heirentz mit Blick auf
die halbautomatische Flinte.
Nach den Einweisungen wird es dann ernst. Jeder Schüler bekommt fünf Patronen. Die Aufgabe unter der fachmännischen Begleitung der Trainer: Laden, zwei Schuss, Entladen, Laden, drei Schuss, die Waffe sichern. Natürlich mit Sicherheitsbrille und Gehörschutz, denn die X2 macht schon einen gehörigen Knall und verursacht beeindruckende Ergebnisse Einschüsse. Überzeugt haben die Schüler, die ihre Zielscheiben jetzt zusammen betrachten. Ob sie diese mitnehmen und vielleicht zuhause aufhängen können? „Dafür gibt es ganz klare Spielregel“, erklären die Ausbilder. „Viele möchten ihre ersten Scheiben
mitnehmen, was auch möglich ist.“ Aber es soll keiner auf die Idee kommen, irgendetwas auf Facebook, Twitter oder Instagram
zu posten, das wird schnell in der Unterhaltung klar.
Noch wird auch mit dem Revolver trainiert, doch bald werden hier die Schüsse aus den Pistolen zu hören sein, wohl die aus einer Walther oder einer Heckler&Koch. Dies sind die beiden Waffenfabrikanten, deren Modelle für die Polizei getestet wurden und wohl in der engeren Auswahl sind.
Kommt die SFP9?
So könnte die moderne SFP9, eine Schlagbolzenschlosspistole von
Heckler&Koch mit voll vorgespanntem System, bald eingekauft werden. „Die Demontage der Pistole erfolgt werkzeuglos und bietet höchste Sicherheit zur Vermeidung von Unfällen durch einen erzwungenen Handlungsablauf. Ohne Entnahme des Magazins ist eine Zerlegung der Waffe unmöglich. Entgegen vergleichbarer Pistolenmodelle entspannt die Waffe automatisch beim Zerlegen“, beschreibt das Unternehmen einige Vorteile. Die SFP9 verwendet nicht nur P30 Magazine, sondern mittels tauschbarer Griffrücken und Griffschalen stehen auch diesem Modell insgesamt 27 Kombinationsmöglichkeiten zur
individuellen Griffgestaltung zur Verfügung. Ein Vorteil, hat doch nicht jeder die gleiche
Handgröße, sagen die Experten vor Ort.
Nach der Ausbildung
Nach der abgeschlossenen Polizeiausbildung, die nach der Polizeireform drei anstatt wie bisher zwei Jahren dauern wird, geht es für die meisten jungen Beamten zur „Unité de Garde et de Réserve Mobile (UGRM)“, wo weitere praktische Diensterfahrungen als frischgebackene Polizisten gesammelt werden. Was Nathan Müller und Marielle Reding später im Polizeidienst machen wollen, ist noch nicht ganz klar. „Auf jeden Fall erst einmal Praxis auf einem Kommissariat sammeln“, sagen die beiden. Reding spielt mit dem Gedanken, im Jugendschutz zu arbeiten.
Änderungen in Sicht
Aktuell platzt die Polizeischule aus allen Nähten. „Gerade sind 100 Schüler zur Grundausbildung auf Herrenberg eingerückt“, erzählen die Ausbilder. Die kommen im Januar in die Polizeischule. Zusammen mit dem zweiten Ausbildungsjahr wird es dann verdammt eng. Bekannt ist, dass aus dem alten Refektorium, der Küche und auch dem Festsaal im Rahmen der Zielsetzung „Beamtenaufstockung“ neue Klassensäle beziehungsweise ein Computerraum entstehen. Es sollen Klassenräume entstehen, die für jeweils rund 40 Schüler ausgelegt sind. Diese Arbeiten laufen auch auf Hochtouren. Ebenso wird die alte Kantine zum Festsaal umgebaut, bei Bedarf kann der in drei Klassensäle abgetrennt werden. Doch stellt sich das Problem, dass die Schüler wie „Sardinen in der Dose“ sitzen, die die Polizeigewerkschaft SNPGL kritisiert. Auch soll nach Aussage von Minister Etienne Schneider weiteres Personal in der Polizeischule eingestellt werden. „Wir haben hier 30 Leute, nochmal 30 Externe wie Juristen oder Polizisten, die nicht immer verfügbar sind“, sagt Feller – mehr Schüler heißt auch mehr Kurse. Das Ministerium spricht hier von einem Zeitraum von fünf Jahren, bemängelt die Polizeigewerkschaft SNPGL, das helfe nicht weiter.“ Bereits ab Januar 2017 könnte die Polizeischule das Zuhause von rund 180 Beamten werden. „Aktuell sind es rund 140“, sagt SNPGL-Präsident Pascal Ricquier. Dieses Plus an Schülern muss bedient werden. Spannende Zeiten stehen der Polizei und
ihrer Schule also bevor.
Sardinen in der Dose“
POLIZEIGEWERKSCHAFT SNPGL zur Platzsituation
ÜBER DEN POLIZEIDIENST
Interessanter Beruf
Wer sich für den Dienst und den Beruf als Polizist interessiert, der kann sich auf der Internetseite www.police.public.lu informieren – sollten es bestimmte Fragen geben, so kann man die unter contact@police.
public.lu per E-Mail stellen.