SNPGL kritisiert scharf aktuelle Gesetzesvorlage zur Polizeireform, samt Einmischung der Justiz
Es ist ein Thema, das sicherlich auch in den kommenden Monaten, wenn nicht sogar Jahren Politik und Gesellschaft beschäftigen wird: Die Reformbemühungen bezüglich der großherzoglichen Polizei, ihrer Struktur und Aufgaben.
Generalstaatsanwältin Martine Solovieff sorgte vor einiger Zeit für etwas Zündstoff in dieser Polizeireform-Debatte. Die Chef-Juristin hatte in einem Schreiben ihre Bestürzung darüber geäußert, dass Vorschläge der Arbeitsgruppen zur Reform nicht im Gesetzestext wiederzufinden seien, sie war regelrecht „bestürzt“ über die Polizeireform, zumal was den Bereich der Kripo angehe. Schnell wurde dieser Sturm im Wasserglas aber „als Unstimmigkeit“ aufgrund eines falschen Textes aus der Welt geräumt. Zufrieden sagte vor einigen Tagen Solovieff dann auch in einem Radiointerview des Senders 100,7, dass das Gesetz ihrem Erachten und ihrer Intention entsprechen würde.
„Das kann sie ja auch gut sagen“, so der Präsident der Polizeigewerkschaft SNPGL, Pascal Ricquier, seien doch entsprechende Anregungen von ihr im Nachhinein in einer Nacht-und Nebel-Aktion geändert und die anderen Parteien vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Und die Änderungen wurden still und heimlich entsprechend gemacht, um wohl erneuten Unstimmigkeiten und Querelen aus dem Weg zu gehen.
116-seitige Abschrift von Ex-Kripochef Jeff Neuens
Das Ganze müsse vor dem Hintergrund gesehen werden, dass der ehemalige Chef der Kriminalpolizei, Jeff Neuens, dem der Minister den Rücktritt nahegelegt hatte, da dieser versucht haben soll auf die Polizeireform Einfluss zu nehmen, wohl eine 116-seitige Abschrift seiner Sicht der Dinge aus den Arbeitsgruppen verfasst und darin seine Ideen festgehalten hat.
„Es liegt hier ein sehr fragwürdiges Verhalten der Justiz vor: Gibt es noch eine Gewaltentrennung, wenn die Justiz sich auf solche Weise in die Gesetzgebung einmischt?“, fragt die Gewerkschaft ganz offen. Ungehalten zeigt die sich gegenüber dem Interview der Generalstaatsanwältin, die behauptet, die Police Judiciaire stehe laut Strafprozessordnung unter der Leitung des Staatsanwaltes und von einem „Elitekorps des SPJ“, des „Service de Police Judiciaire“, spricht. „Was bitte soll denn das“, fragt die Gewerkschaft. Es gebe nur ein Elitekorps – und das sei das der „großherzogliche Polizei“, zu der auch die Kriminalpolizei gehöre. Und was die Leitung der Police judiciaire durch den Staatsanwalt betrifft, sollte doch besonders der obersten Magistratin bewusst sein, dass hiermit nicht der „Service de Police judiciaire“ gemeint sei, sondern die in der Strafprozessordnung festgelegte Mission „Police Judiciaire“. Auch die uniformierten Polizisten sind als Ermittler der Staatsanwaltschaft anzusehen. „Was auf dem Dienstausweis nachzulesen ist“, sagt Ricquier mit Hinweis auf den Vermerk „officier de police judiciaire“ und betont, dass die Uniformierten schließlich mehr Fälle für die Staatsanwaltschaft machten als der SPJ. Solche Äußerungen frustrieren die Gewerkschaftler natürlich. „Auch im externen Gutachten ist dies übrigens entsprechend ausgeführt. Es gibt hier ein Korps in Luxemburg.“
„Schlimmer aber ist hier der Eingriff in die Gesetzgebung“, so die Meinung der Gewerkschaft mit Blick auf Änderungen in der Gesetzesvorlage zur Polizeireform, vor allem die Artikel 51 oder auch 59. Dies sind Artikel, die maßgeblich die Kriminalpolizei betreffen und entgegen den Ausarbeitungen der Arbeitsgruppen im Nachhinein geändert wurden. „Dies ist ein Unding“, sagt Ricquier, der in diesem Vorgehen eine Gewaltenteilung „quasi nicht mehr gegeben sieht“.
Bekannt ist, dass die „Services de Recherche et d’Enquête Criminelle“, die Kriminalermittlungsdienste (SREC), im Rahmen der Polizeireform in den SPJ integriert werden sollen. Zentraler Standort soll Luxemburg sein, es sollen noch die Außenstellen Diekirch, Esch und Grevenmacher bestehen bleiben.
„Es war ein harter Kampf“
„Es besteht die Gefahr, dass durch diese Zusammenlegung dann nur noch die ganz großen Fälle von der Kriminalpolizei bearbeitet werden. Einbruch und Drogen auf der Straße könnten diesen Fällen zum Opfer fallen, wir können nicht ausschließen, dass der direkte Bürgerdienst hierdurch vernachlässigt oder ganz verloren geht.“ Aus diesem Grund wurde im Gesetzestext ein Konsens unter den fast 50 Arbeitsgruppenteilnehmern errungen. „Dies war ein harter Kampf“, sagt Ricquier. Der Text sah vor, dass der SPJ Abteilungen „Biens“, „Personnes“, „Crime organisé, économique et financier“ als auch „Appui“ aufweisen sollte. „In der nun auch der Parlamentskommission vorliegenden Version wurde der Artikel 59 komplett geändert, der Bereich der Abteilungen, insbesondere der getroffene Konsens für die Außenstellen, wurde einfach gestrichen“, sagt Ricquier. Diesbezüglich sei auch inakzeptabel für die Gewerkschaft, dass das für die Kripo eingesetzte Begleitkomitee quasi alleine über die Besetzung der Führungsposten entscheiden soll. Alles in allem seien viele Änderungen, insbesondere die Kontrollfunktion des Schreibverkehrs, was Protokolle und Ermittlungsarbeit anbelange, so getroffen worden, dass sie riskieren, die Abwicklung der Verfahren unnötig zu verzögern. „Heute wird diese Mission vom Dienststellenleiter oder eigens eingesetzten Verbesserungsbüros erledigt, und dies reicht auch aus“, so der Gewerkschaftler.
Weitere Änderungen – nur ein kleines Wörtchen mehr
Da in manchen Artikeln wie 11, 12, 14 oder auch 16 das kleine Wörtchen „imminent“ im Rahmen einer möglichen Gefahrenabwehr eingefügt wurde, also „unmittelbare“ Gefahr, sieht die Gewerkschaft die Arbeit der Polizisten hier erheblich eingeengt. „Mit einem solchen Hinweis im Gesetz können wir doch nicht arbeiten. Da ist eine Gefahrenabwehr zum Schutz der Bürger aus unserer Sicht gar nicht mehr möglich, wenn wir erst bei ‚unmittelbarer‘ Gefahr reagieren können.“
Die ganzen Änderungen seien einfach nicht nachvollziehbar, „ja sie sind gar unverständlich, da es komplett an Erklärungen und Begründungen in der Kommentierung zu den Artikeln fehlt“, sagt Ricquier, diese Erläuterungen seien schlichtweg nicht hinzugefügt worden.
Aufgrund dieser und noch anderer fragwürdiger Umstände und Änderungen, die übrigens auch von der Generaldirektion der Polizei nicht mitgetragen werden, hat die Polizeigewerkschaft ihre Stellungnahme zu den Gesetzen und Reglements entsprechend umfangreich verfasst. Um die 50 Seiten wird die Eingabe an Regierung, Kommission und Fraktionen wohl am Ende umfassen. Man darf gespannt sein, wie sich die Politik zur Gesetzesvorlage und ihrer Entstehung positioniert.