PRESSE Wort.lu Totalverriss durch den Staatsrat

Polizeireform

Gutachten sieht Bürgerrechte durch die Polizeireform gefährdet

Der Reformtext stärkt die Polizei offenbar mehr als dem Staatsrat geheuer ist.

Der Reformtext stärkt die Polizei offenbar mehr als dem Staatsrat geheuer ist.
Foto: Steve Remesch

(str) – Die Reform sollte die Polizei stärken, ihr den Weg für die kommenden 20 Jahre ebnen, sodass sie nicht nur den heutigen sondern auch den künftigen Herausforderungen gewachsen sein soll. Das war das erklärte Ziel des Gesetzprojekts 7045, das in den letzten Jahren für reichlich Zoff innerhalb der Polizei sorgte. Ende August 2016 wurde die Reform dann auf den Instanzenweg geschickt. Ruhe ist aber immer noch nicht eingekehrt.

Denn nachdem bereits sowohl die Menschenrechtskommission als auch die Justizbehörden in 
ihren jeweiligen Analysen nicht mit Kritiken und Bedenken gespart hatten, legt nun der Staatsrat nach.

Klärungsbedarf

An zwölf Stellen im Text sieht sich der Staatsrat gezwungen, 
eine „Opposition formelle“ auszusprechen – eine weitere wird bei ausbleibender Klärung angedroht. Das ist die Gelbe Karte des Staatsrats – ein deutlicher Hinweis der Hohen Körperschaft dafür, dass es bei dem betreffenden Gesetzesartikel juristische Unzulänglichkeiten gibt, die später schwerwiegende Folgen haben können. Der Staatsrat hat zwar lediglich konsultativen Charakter, die Abgeordneten leisten dessen Hinweisen aber üblicherweise Folge.

Darüber hinaus hat der „Conseil d’Etat“ drei Mal mit einer Roten Karte gedroht – der Verweigerung eines zweiten Votums. In allen drei Fällen geht es um die mögliche Bevorteilung von Polizisten gegenüber anderen Staatsbeamten – Probleme, die sicher geklärt werden könnten.

Zwölf „Oppositions formelles“

Anders sieht es allerdings bei der Essenz der Kritiken des Staatsrats aus: Acht der zwölf „Oppositions formelles“ betreffen nämlich das Filetstück der Polizeireform: die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Polizei. Gleich zu Beginn seiner Ausführungen hält der Staatsrat fest, dass das vorliegende Gesetzesprojekt weit weniger kohärent sei, als das bestehende Gesetz. Der Text stelle die Wahrung der öffentlichen Ordnung über die Achtung der Grundrechte der Bürger.

Zusammengefasst: Das Gesetzesprojekt gestattet der Polizei 
eine Reihe von Maßnahmen, welche die Bürgerrechte einschränken können. Dass diese vorrangig präventiven Einsatzmöglichkeiten im Kampf gegen Terrorismus und Schwerkriminalität durchaus Sinn machen, steht außer Frage. Problematisch ist aber die Umsetzung. Denn hier fehlt es dem Staatsrat zufolge an klaren Regelungen sowie an Kontrollmöglichkeiten.

Ein Quasi-Ausnahmezustand

Der Polizei steht dem Reformtext zufolge etwa zu, örtlich Maßnahmen zu ergreifen, wie sie etwa 
der Ausnahmezustand im französischen Recht vorsieht. Darüber soll dem neuen Gesetz nach die Polizei in Absprache mit zwei Ministern entscheiden. Der Staatsrat ist jedoch der Ansicht, dass die gesamte Regierung in diese Entscheidungen einbezogen werden müssen.

Darüber hinaus ist ein Großteil dieser Maßnahmen bislang der Strafverfolgung (Mission de police judiciaire) vorbehalten. Das Vorgehen der Polizei erfolgt in diesem Kontext auf Anordnung, im Auftrag und unter der Kontrolle der Justizbehörden und entsprechend den im „Code de procédure pénale“ vorgegebenen Richtlinien, welche auch die Rechte der Betroffenen festlegen. Das ist ein entscheidender Aspekt der demokratischen Gewaltentrennung.

Keine klaren Grenzen

Indem diese Einsatzmöglichkeiten zum Teil auch auf die vorbeugende Polizeiarbeit (Mission de police administrative) ausgedehnt werden, sieht der Staatsrat die Gefahr, dass diese sich jeglicher Kontrolle entziehen und die Polizei so im Ernstfall zum alleinigen Entscheidungsträger wird. Gerechtfertigt werden müssen diese Handlungen dann nämlich nur vor dem Generaldirektor der Polizei.

Zum Problem kann dem Staatsrat zufolge auch die Artikulation zwischen präventivem und repressivem Vorgehen werden. Hier stellt sich insbesondere die Frage, bis wohin die Regeln der Prävention gelten und ab wann jene der Strafverfolgung Bestand haben.

Falls es also darum gehe, die Möglichkeiten der Strafverfolgung auf die gesamte Polizei auszudehnen, und sie dabei der Kontrolle der Justiz und so einer juristischen Kontrolle zu entziehen, dann müsse der Staatsrat stärkste Bedenken äußern, heißt es im Gutachten.

Der zuständige parlamentarische Ausschuss will sich im Oktober mit dem Gutachten des Staatsrats befassen.

Die Polizeigewerkschaft „Syndicat National de la Police Grand-Ducale“ will sich noch etwas Zeit geben, das Gutachten des Staatsrats genauer unter die Lupe zu nehmen. Bereits jetzt heißt es allerdings auf Nachfrage, die „offensichtlich mangelnde Objektivität des Gutachtens“ sei besorgniserregend.

Sehr zu bedauern sei überdies der Umstand, dass weder das Gutachten des SNPGL berücksichtigt worden sei, noch jenes anderer Vereinigungen, wie etwa jenes der „Association du cadre supérieur de la police“ oder jenes des Gemeindesyndikats Syvicol.

„Bei allem Verständnis für die Hüter der individuellen Freiheiten und Rechte der Bürger, scheint dem SNPGL das Bestreben der Polizei, mit effizienten Mitteln für die öffentliche Ordnung und Sicherheit unseres Landes Sorge zu tragen, im Gutachten der Hohen Körperschaft sträflich vernachlässigt worden zu sein“, bekräftigt die Gewerkschaft in einem schriftlichen Statement.

Source Wort.lu

Ein Totalverriss

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