Mit einer großen Protestkundgebung machten die Staatsbediensteten gestern Abend ihrem Ärger Luft. Es geht um Einstellungsprobleme, Ungleichbehandlung, Überstunden – und schließlich um einen “funktionierenden Staatsapparat”.
Welch breites Spektrum an verschiedenen Berufsgruppen die Beamtengewerkschaft CGFP abdeckt, offenbaren bereits die vielen, vielen Banner, die den Saal im Parc Hotel am Montagabend säumen. Briefträger, Pädagogen, Verwaltungsbeamte und viele weitere sind gekommen, um an einer Protestkundgebung teilzunehmen. Auch Mitglieder des Verbandes für Kommunalbedienstete FGFC hatten sich solidarisch erklärt, genau wie die kommunistische Partei KPL.
“Für eine sichere Zukunft des öffentlichen Dienstes” – das wird auf der gespannten Leinwand hinter dem Rednerpult projiziert. Über dem Pult hängt ein Transparent. Darauf steht in Großbuchstaben “Gegen einen weiteren Sozialabbau im öffentlichen Dienst”. Nach und nach treffen die Gewerkschaftler ein und füllen den Saal, der, als er noch leer war, viel zu groß schien. Die mobilisierten Beamten sind zahlreich. Viele müssen stehen. “Der Zusammenhalt aller Mitgliedsorganisationen der CGFP” – er sei eine wichtige Voraussetzung, meint CGFP-Generalsekretär Steve Heiliger. Denn: Was heute einen Verband betrifft, könnte morgen alle betreffen.
Zehn Prozent Ausländer
Derzeit arbeiten rund zehn Prozent Ausländer im Staatsbetrieb. Hoheitsrechtliche Aufgaben müssten aber von Luxemburgern wahrgenommen werden können. Das sei nur normal, auch in anderen Ländern, und nicht ausländerfeindlich. Der Staat fände in einigen Bereichen nicht genug Kandidaten und müsse deshalb den Staatsdienst für Ausländer öffnen, heißt es von Politikern. Dass es diese Probleme gibt, streitet Heiliger nicht ab, allerdings müsse man Probleme bei den “Stages” ausbügeln, vielleicht regele sich die Situation dann auch.
Ein Problem beschäftigt die Gewerkschaftler besonders: Bei der letzten Gehälterreform wurde eingeführt, dass neu eingestellte Staatsbeamte in den beiden ersten Jahren nur 80 Prozent ihres Gehalts erhalten und im dritten Jahr 90 Prozent. Im Gegenzug sollten die Neuzugänge wie Auszubildende behandelt werden, also eine Ausbildung und deshalb eben kein volles Gehalt erhalten. Dies sei aber so nicht eingehalten worden, so die Gewerkschaft. Die Neulinge verrichten die gleiche Arbeit wie ihre älteren Kollegen und müssten deshalb auch das Gleiche verdienen, fordert sie.
Gleiche Arbeit, weniger Lohn
“Ja, die CGFP hat das unterschrieben”, sagt Heiliger. Die Regierung habe aber eine Reform angestrebt, die der CGFP besonders in zwei Punkten nicht gefiel. Die Senkung der Anfangsgehälter habe man verhindern können. Die 80/80/90-Regelung sei jedoch eine bittere Pille, die man habe schlucken müssen, um Schlimmeres zu verhindern. “Die Teilverbände haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass Kollegen ins kalte Wasser geworfen werden und 20 Prozent weniger verdienen”, meint Heiliger. Das sei so nicht abgemacht worden.
Sogar der zuständige Minister habe damals gesagt, ein Praktikant sei zum Lernen da und nicht zum Arbeiten. Nun würden die Lehrgänge aber sogar am Wochenende abgehalten, also außerhalb der Arbeitszeit. “Schluss mit dieser sinnlosen 80/80/90-Regelung”, sagt Heiliger unter dem tosenden Applaus der Anwesenden. Er kommt immer wieder auf die Rekrutierungsprobleme zu sprechen. Wenn nicht genug Menschen eingestellt würden, müssten die “Kolleginnen und Kollegen” systematisch “illegale Überstunden” machen. Dies führe zu einer Überbelastung. Wenn die “Examen-concours” nun nicht mehr zeitgemäß seien, dann müssten sie überarbeitet werden.
“Schluss mit dem Bewertungssystem”
Des Weiteren stößt sich die CGFP an einem Bewertungssystem, das für die Staatsbeamten eingeführt wurde. Es gebe keinen solchen Mechanismus, der “neutral und objektiv” sei. Deshalb habe ein solches System im öffentlichen Dienst nichts zu suchen. Letzterer sei eben anders als der Privatsektor und nicht da, um Profit zu maximieren, sondern um Dienstleistungen für die Bürger anzubieten. Wie zufrieden die Bürger mit den Beamten sind, zeige sich doch in den regelmäßigen Umfragen, selbst über die Landesgrenzen hinaus, so Heiliger. Das reiche doch. Deshalb fordert die Gewerkschaft: “Schluss mit dem sinnlosen Bewertungssystem”.
Wie es nun weitergeht, hänge davon ab, wie die Politik auf die Protestaktion reagiert. Gerade jetzt, und nicht erst nach den Wahlen, sei es an allen politischen Parteien, Farbe zu bekennen, meint CGFP-Präsident Romain Wolff. An die nächste Regierung richtet er die Botschaft, dass die CGFP auch in Zukunft wachsam bleiben werde und sich zum Beispiel nicht die verschiedenen Prämien nehmen lassen würde, die für viele einen großen Teil der Einkünfte ausmachen. Es ginge dem Land finanziell gut, erklärt Wolff. Er wolle nicht damit sagen, dass der Staat das Geld zum Fenster rausschmeißen solle. Allerdings brauche es gute Dienstleistungen im öffentlichen Dienst.
“Ënner aller Klarinett”
“Gerade jetzt brauchen wir Politiker, die den Menschen zuhören. Warum sind sie gewählt worden, wenn nicht dazu, sich sowohl für die Gemeinden als auch für die Menschen im Privatsektor und im öffentlichen Dienst einzusetzen?” Infrastruktur müsse geschaffen und Steuergerechtigkeit hergestellt werden. “Wir, ihr alle seid betroffen”, wenn es bei der Rekrutierung Probleme gebe. Das gelte auch für die älteren Mitarbeiter. Insbesondere bei den Briefträgern zeige sich dies.
Wenn die Briefträger immer öfter “doppelte Tourneen” machen müssten und ihnen, wenn sie sich beklagten, mit Konsequenzen wegen Arbeitsverweigerung gedroht werde, sei dies “ënner aller Klarinett”. Am Ende ginge es um einen funktionierenden Staat. Deshalb müsse die Rekrutierungspolitik verbessert werden. Aber: Das Problem könne man nicht durch die weitere Öffnung des Staatsdienstes für Ausländer lösen. Die Regierung habe schnell das Resultat des Referendums vor einigen Jahren vergessen. Jetzt sei es an der Zeit, den Menschen endlich zuzuhören, meint Wolff.
Ihm liegt aber noch etwas am Herzen. Der Privatsektor beklage sich oft, dass der Staat eine unlautere Konkurrenz am Arbeitsmarkt sei. Das Patronat verschweige allerdings, dass die Arbeitsbedingungen im Privatsektor nicht immer stimmten. Wenn Menschen jahrelang keine Gehaltserhöhung erhalten und für den Mindestlohn arbeiten müssten, sei es nachvollziehbar, wenn sie zum Staat wechseln. “Wischiwaschi-Antworten” wie “Ihr habt recht, aber …” werde die CGFP nicht akzeptieren, sagt Wolff abschließend.