PRESSE Wort.lu Gefangenentransporte: „Das System wird 2019 kollabieren“

Foto:Chris Karaba

Lokales 09.05.2018

Steve REMESCH

Kommendes Jahr soll die Polizei alle Gefangenentransporte übernehmen. Doch dafür fehlt das notwendige Personal. Die Gewerkschaften der Polizei und der Gefängnisaufseher haben aber Lösungsansätze parat. Doch diese stoßen auf Widerstand.

Bislang teilen sich Polizei und Gefängnisverwaltung die Transporte von Häftlingen: Die Polizei übernimmt die Überführung von Untersuchungshäftlingen etwa zu den Gerichten und oder auch ins Krankenhaus, und das Gefängnispersonal fährt verurteilte Straftäter.

Das soll sich aber laut aktuellen Reformplänen im Jahr 2019 ändern: Die Polizei soll alle Gefangenentransporte übernehmen.

„Dann wird das System kollabieren“, meint der Präsident des Syndicat national de la police grand-ducale (SNPGL), Pascal Ricquier. „Die Polizei hat nicht die erforderliche Personalstärke, um das zu übernehmen.“ Wenn die Sicherheitskräfte auch die Transfers der verurteilten Straftäter übernehmen, dann sind das etwa ein Drittel mehr Fahrten als bisher.

SNPGL-Präsident Pascal Ricquier: "Wer einen Liter Wasser braucht, aber nur 800 Milliliter Wasser hat, der kann umschütten, so viel, wie er will, aber es bleiben 0,8 Liter.“

SNPGL-Präsident Pascal Ricquier: „Wer einen Liter Wasser braucht, aber nur 800 Milliliter Wasser hat, der kann umschütten, so viel, wie er will, aber es bleiben 0,8 Liter.“
Foto: Pierre Matgé

Im Prinzip wickelt die Unité de garde et de réserve mobile (UGRM) der Polizei die Gefangenentransporte ab. Da die aber noch andere Aufgaben erfüllt, wie etwa Objektschutz und die Unterstützung anderer Einheiten, reichen die 60 dort angestellten Polizisten seit Jahren nicht aus.

Bislang war es dann so, dass Polizisten aus kleinen Überlandkommissariaten abgezogen wurden, um die mobile Reserveeinheit zu unterstützen – was nicht ohne Folgen für die Arbeit in diesen Kommissariaten blieb. Besonders zu Urlaubszeiten wiegt die Unterstützung des UGRM schwer: Im Juni 2017 mussten 136 Mal Polizisten aus Kommissariaten bei Gefangenentransporten aushelfen, im Juli 226 Mal und im August 119 Mal. Seit Dezember ist dies offenbar nicht mehr der Fall.

Kurzfristige Lösung schafft neue Probleme

Um den Personalmangel auszugleichen, werden laut Pascal Ricquier nämlich derzeit alle Anfänger der Polizeischule zum Gefangenentransport eingeteilt. „Das löst zwar kurzfristig dieses Problem, schafft aber eine ganze Reihe von neuen Problemen“, betont der SNPGL. „Denn diese jungen Beamten fehlen jetzt in den Kommissariaten, wo sie eigentlich vorgesehen waren. Wer einen Liter Wasser braucht, aber nur 800 Milliliter Wasser hat, der kann umschütten, so viel, wie er will, aber es bleiben 0,8 Liter.“

Dazu kommt die Eröffnung des Untersuchungsgefängnisses am Uerschterhaff in Sassenheim im Jahr 2022. Für die Transporte von und zur neuen Anstalt seien zwar schon 45 Beamte zusätzlich in der Brigadierslaufbahn eingestellt worden, doch hierbei habe man einer Sache nicht Rechnung getragen: Aus der erst vor gewisser Zeit eingeführten Brigadierslaufbahn würden nun die ersten Beamten in den Ruhestand treten. Zudem wirkt sich auch der Karrierewechsel in die Inspektorenlaufbahn auf die tatsächliche Zahl aus. Die wegen des Uerschterhaff von 250 auf 295 Brigadiere erhöhte Sollstärke ist somit wieder verpufft.

Das Saarland als Vorbild

Eine Lösung liegt auf dem Tisch: Anstatt die Polizei sollen die Gefängniswärter in Zukunft alle Transfers übernehmen – so, wie es im Saarland seit gut zehn Jahren der Fall sei. Auch wenn eine erste Milchmädchenrechnung nicht einfach so auf den Luxemburger Vollzug zu übertragen sei, würde sich hierbei eine Möglichkeit ergeben, die unbedingt ins Auge gefasst werden solle, so Ricquier.

In Saarbrücken werden alle Gefangenentransporte von neun Justizbeamten ausgeführt. Die Häftlinge werden dann im Gerichtsgebäude von 30 anderen Beamten in Empfang genommen. Die Polizei sichert nur Transporte von besonders gefährlichen Insassen. In Luxemburg sind rund 80 Beamte in die Transfers eingebunden, davon 60 Polizisten. Diese holen die Gefangenen in Schrassig ab, fahren sie zur Cité judiciaire, bleiben dort stundenlang im Stand-by und bringen sie dann wieder zurück.

„Unser Management der Arrestantentransporte ist komplett falsch“, bekräftigt Pascal Ricquier. „Sowohl bei den Gefängniswärtern als auch bei der Polizei. Es ist sehr beeindruckend, wie gut das System im Saarland funktioniert.“ In Luxemburg könnte eine Transporteinheit von etwa 20 Gefängniswärtern aufgestellt werden, die sich ausschließlich auf die Fahrten beschränke. Nach niederländischem Vorbild könnten die Transporte denn auch in einem Bus erfolgen, anstatt wie bisher im Kastenwagen.

Im Gericht sollten die Gefangenen dann von rund 45 Brigadieren in Empfang genommen werden, die dem Gericht fest zugeteilt sind. „Dies würde diesen Beamten auch komplett neue Karrierewege eröffnen“, betont Pascal Ricquier. „Da sie unter sich sind, könnten hier Verantwortungsposten geschaffen werden.“

„Zudem ist es auch für die Justiz von Vorteil, stets mit den gleichen Beamten zu tun zu haben, die den Betrieb und die Menschen dort kennen – demnach auch sicherheitsrelevanter Mehrwert für die Justiz.“ Dieser Wechsel wäre zwar nicht von heute auf morgen möglich, aber mit einer schrittweisen Übergangszeit in fünf bis zehn Jahren denkbar – bis die Gefängnisverwaltung auch über das nötige Personal verfügt, um die Transporte eigenständig zu gewährleisten.

Gefängnisaufseher gesprächsbereit

Genau das ist der Knackpunkt, sagt der Präsident der Association du personnel pénitentiaire (AAP), Michel Block, auf Nachfrage. „Die Zahlen aus Saarbrücken sind nicht direkt übertragbar, aber unserer Rechnung zufolge bräuchte es 23 Vollzugsbeamte, um alle Gefangenentransporte sicher und effizient abzuwickeln. Dazu muss es aber auch eine gewisse Zahl von Beamten geben, die zur Überwachung der Häftlinge in Krankenhäusern eingesetzt werden. Dann kann das funktionieren, ohne zusätzliches Personal sicher nicht.“

AAP-Präsident Michel Block steht der Idee alle Transporte langfristig der Justizverwaltung zu übertragen positiv gegenüber.

AAP-Präsident Michel Block steht der Idee alle Transporte langfristig der Justizverwaltung zu übertragen positiv gegenüber.
Foto: Pierre Matgé

An der Idee finde man unter diesen Voraussetzungen sicher Gefallen. „Wenn die Bedingungen stimmen, sind wir gerne bereit, uns an den Tisch zu setzen und ein Projekt auszuarbeiten“, betont der AAP-Präsident. „Die Idee würde auch den Beruf des Aufsehers attraktiver machen, denn es gibt ihm die Möglichkeit, auch außerhalb der Gefängnismauern zu arbeiten.“

Die Überlegung mache zudem auch in einer anderen Hinsicht durchaus Sinn: Die Aufseher kennen die Häftlinge. Sie sind erfahren im Umgang mit Menschen, denen ein Freiheitsentzug auferlegt wurde. Zudem ist der Polizist für viele Insassen ein Feindbild. Er hat sie schließlich dahin gebracht, wo sie sind. Den Umgang mit Wärtern sind Gefangene gewohnt.

Unterstützung auf Regierungsebene

„Der Minister für Innere Sicherheit, Etienne Schneider, hat uns bei einem Telefongespräch vergangene Woche seine Unterstützung bei dieser Idee zugesichert“, unterstreicht Pascal Ricquier. „Justizminister Félix Braz hat klargestellt, dass es für ihn wichtig sei, dass nur eine Behörde die ganzen Transporte übernimmt.“

Doch trotz dieser positiver Vorzeichen gebe es auch Widerstand, heißt es unisono von SNPGL und AAP. Sowohl bei der Magistratur als auch bei der Gefängnisdirektion sei man der Idee eher abgeneigt. Und ohne deren Unterstützung bliebe es wohl bei einer Idee. Doch die Zeit dränge, 2019 und 2022 ließen nicht auf sich warten.

Das System wird 2019 kollabieren

Source Wort.lu

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