Der Mess- und Erkennungsdienst der Kriminalpolizei leistet Millimeterarbeit.
Von Steve Remesch
„De Miess- an Erkennungsdéngscht“ – die Bezeichnung klingt wie aus einer anderen Zeit. Ist sie auch. Denn eigentlich heißt die Abteilung für Spurensicherung der Kriminalpolizei „Police technique et scientifique“. Der luxemburgische Begriff ist vor allem für Nostalgiker in den Reihen der Sicherheitskräfte von Bedeutung: Er stammt aus den Zeiten der Gendarmerie.
Marc Cigrang ist der Spezialist in Sachen Vermessungstechniken beim Mess- und Erkennungsdienst.
„Früher haben wir tatsächlich vorrangig Unfälle aufgenommen und Tatorte bei Kapitalverbrechen gesichert“, erklärt Marc Cigrang, der Spezialist der Einheit in Sachen Vermessungstechniken. „Da wir damals eben sehr viel mit Messinstrumenten gearbeitet haben, war der Begriff passend.“
Heutzutage sind die Aufgaben und Einsatzgebiete der Spurensicherer der „Police judiciaire“ viel weiter gefächert. Schwere Straftaten, ungeklärte Todesfälle, Kapitalverbrechen und Brandstiftungen gehören noch immer dazu, aber auch komplexere Sachverhalte in allen Bereichen, in denen Fachwissen, eine wissenschaftliche Herangehensweise und entsprechende hochtechnische Ausrüstung erforderlich sind.
Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft
In der Öffentlichkeit treten die 18 Polizisten und zwei zivilen Mitarbeiter der „Police technique“ zumeist nur in Pressemeldungen in Erscheinung: „Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wurde der Mess- und Erkennungsdienst der Kriminalpolizei mit der Spurensicherung befasst“ war nach fast allen schweren Verkehrsunfällen in den vergangenen Wochen zu lesen. Und das beschreibt die Arbeit der Tatortermittler bereits recht präzise.
Die Beamten arbeiten ausschließlich unter der Order der Staatsanwaltschaft. Im Bereich der Unfalluntersuchungen kommt der Einsatzbefehl prinzipiell bei allen Unfällen, bei denen ein gerichtliches Nachspiel zu erwarten ist. „Wenn wir zu einem Unfallort kommen, dann obliegt es uns, eine objektive Spurensicherung durchzuführen“, führt Marc Cigrang aus. „Die muss später vor Gericht Bestand haben.“
Oftmals erwartet ein regelrechtes Trümmerfeld die Spurenermittler.
Doch wie sieht die Arbeit des „Mess- und Erkennungsdienstes“ an einer Unfallstelle denn konkret aus? „Wenn unser Bereitschaftsdienst eintrifft, müssen wir uns zunächst einen Überblick verschaffen“, erläutert der erfahrene Spurensicherer. „Von den Polizisten, die vor uns an der Unfallstelle im Einsatz sind, bekommen wir einen ersten Lagebericht und auch Informationen aus möglichen Zeugenaussagen.“
“Mit größter Sorgfalt …”
So gelange man zu einer ersten Einschätzung zu dem, was passiert sein könnte. „Wir lassen uns davon aber nicht zu sehr beeinflussen, da für uns Objektivität das oberste Gebot ist“, hebt Marc Cigrang hervor. „Wir verschaffen uns ein eigenes Bild von der Situation, indem wir mit größter Sorgfalt nach allen möglichen Spuren suchen. Verschiedene Szenarien weisen bestimmte Merkmale auf. Bei einer Kollision zwischen zwei Fahrzeugen etwa gibt es in der Regel immer dort eine klare Schlagspur, wo es zum Impakt kam. Das wäre unser Ausgangspunkt.“
Sie müssen sich dann erst einmal einen Überblick verschaffen.
Die Spuren werden dann mit Sprühkreide markiert und anschließend beschriftet. Die Spurenaufnahme wird in drei Phasen gegliedert: Der Vorlauf – vor dem Unfall. Der Unfall – der Impakt. Und der Auslauf – nach dem Unfall. Die jeweiligen Spuren werden getrennt gesichert und den drei Phasen entsprechend in den Bericht aufgenommen.
Wie war der Zustand der Reifen?
Dann wird das Auto unter die Lupe genommen. Dessen Untersuchung reicht von Personen- über Material- bis hin zu Formspuren. Es wird beispielsweise auch überprüft, ob der Fahrer einen Gurt trug, ob die Fahrzeugbeleuchtung eingeschaltet war und ganz besonders auch, in welchem technischen Zustand der Wagen ist. Bei Unfalltoten führen die Beamten auch eine erste Leichenschau durch. „Solche Dinge müssen genauestens dokumentiert werden“, bekräftigt Marc Cigrang.
Anschließend beginnen die Tatortermittler damit, die Spuren zu dokumentieren.
Im europäischen Vergleich sei die Luxemburger Spurensicherung technisch sehr gut ausgerüstet, meint er. Die Einheit könne auf zeitgemäßes Fotomaterial, moderne Bildvermessungskameras sowie GNSS- und GPS-gestützte Systeme zurückgreifen.
Marc Cigrang liegt besonders der 3-D-Scanner am Herzen, der als besonders fortschrittlich gilt und in Luxemburg bereits seit 2006 systematisch eingesetzt wird.
Der 3-D-Scanner ist eines der fortschrittlichsten Geräte bei der Spurensicherung.
In Luxemburg greift die Kriminalpolizei bereits seit 2006 auf dieses Gerät zurück.
GNSS-Systeme erlauben eine weitaus präzisere räumliche Zuordnung als über GPS-Daten.
Es handelt sich dabei um ein Aufnahmegerät, das sich auf einem Stativ um die eigene Achse dreht. Teil des Apparats ist ein Laser, der sich ebenfalls dreht und die Umgegend abtastet. Überall dort, wo ein Laserstrahl auftrifft, wird ein Punkt aufgezeichnet – zwei Millionen Messpunkte pro Sekunde.
Daraus wird dann eine 360-Grad-Aufnahme erstellt. So kann jede Situation digital eingefroren und später wieder aufgerufen und aus allen denkbaren Blickwinkeln erneut betrachtet werden. Die Genauigkeit liegt bei einem bis zwei Millimetern.
Ein 3-D-Scan ermöglicht es, eine Situation millimetergenau einzufrieren.
In naher Zukunft soll auch eine Hochleistungsdrohne zum Einsatz kommen, mit der ebenfalls 3-D-Aufnahmen aufgezeichnet werden können: Fotogrammetrie aus der Luft und zweidimensionale GNSS-referenzierte Bilder, die digital entzerrt werden. Derzeit laufen aber noch eine Reihe von Tests.
„Dann müssen wir künftig eine Autobahn wegen einer Unfallaufnahme zwei oder drei Stunden weniger lang sperren als bisher“, betont er.
Diese Drohne wird es den Tatortermittlern bald ermöglichen, 3-D-Aufnahmen aus der Luft anzufertigen.
Bis der Bericht der Spurensicherer vorliegt, können schonmal mehrere Monate vergehen, denn der chronische Personalmangel in der Kriminalpolizei geht auch am Mess- und Erkennungsdienst nicht spurlos vorbei. Aber auch hier gilt das Prinzip Hoffnung.
(Fotos: Guy Jallay/Steve Remesch/LW-Archiv)