Laut SNPGL wurden die Beamten aus dem Kommissariat in Steinfort längst abgezogen. Für zwei Stunden würden wochentags allerdings Polizisten aus Capellen den Schein wahren.
Kleine Polizeiwachen über Land werden nur noch zum Schein in Betrieb gehalten, sagt die Gewerkschaft der Polizei. Tatsächlich seien die dazugehörigen Beamten längst abgezogen worden. Dem Bürger würde Sand in die Augen gestreut.
Lange und teils sehr emotionsgeladene Diskussionen waren die Folge, als sich ankündigte, dass im Zuge der Polizeireform eine ganze Reihe von kleineren Kommissariaten im ländlichen Raum reorganisiert,
sprich geschlossen werden sollten. Später rangen die Bürgermeister, dem
damaligen Minister für Innere Sicherheit, Etienne Schneider, das
Versprechen ab, es würde kein Kommissariat ohne die Zustimmung der
Gemeindeverantwortlichen zugemacht. Die Bürgermeister gaben sich damit
zufrieden.
Doch tatsächlich kam es dann doch anders. Das zumindest behauptet die
Polizeigewerkschaft Syndicat national de la police grand-ducale
(SNPGL). „Dem Bürger wird Sand in die Augen gestreut“, betont der Gewerkschaftspräsident Pascal Ricquier. „Die Polizisten wurden längst aus den Revieren abgezogen.
Nur punktuell werden zwei Beamte hingeschickt, um den Schein zu wahren,
um den Bürger zu beruhigen. De facto gebe es die Kommissariate aber
nicht mehr.“
Solche, zum Schein in Betrieb belassene Polizeiwachen gebe es
beispielsweise in Steinfort, Bartringen, Wasserbillig, Wormeldingen, Bad
Mondorf, Vianden, Grosbous und wohl bald auch in Roeser, meint Pascal
Ricquier.
Fallbeispiel Steinfort
Die Beamten aus dem Kommissariat Steinfort etwa sind laut SNPGL längst nach Capellen verlegt worden. Die
Öffnungszeiten, wie sie auf dem Schild auf der Anzeigetafel der
Steinforter Polizeiwache oder auf der Webseite der Polizei zu lesen
sind, seien falsch: montags, donnerstags und freitags von 8 bis 10
Uhr und von 16 bis 18 Uhr; dienstags und mittwochs von 13 bis 15 Uhr;
und von 7 bis 21 Uhr nach Terminvereinbarung.
Das Steinforter Kommissariat ist, wie auf einem Zettel an der Eingangstür vermerkt, nur von Montag bis Freitag von 13 bis 15 Uhr besetzt. Foto: Pierre Matgé
Tatsächlich sei es nämlich so, dass wer am Kommissariat vorstellig werde, über Sprechanlage mit dem Einsatzzentrum in Esch/Alzette
verbunden und dann dazu aufgefordert werde, sich nach Capellen zu
begeben, heißt es von der Polizeigewerkschaft. Besetzt sei das
Kommissariat – und so ist es dann auch auf einem Zettel an der
Eingangstür notiert – von Montag bis Freitag von 13 bis 15 Uhr – von
Beamten aus Capellen, die extra nach Steinfort geschickt werden, als
reine Alibifunktion, wie Pascal Ricquier hervorhebt.
„Das ist für das Kommissariat in Capellen ein echtes Problem“,
bekräftigt er. „Die Beamten sind derzeit mit einer Einbruchswelle
konfrontiert, die sie mehr als nur auslastet. Dann noch zwei Beamte
abzustellen, nur damit diese den Schein von Präsenz in einem längst
aufgegebenen Polizeibüro wahren, ist eine leichtsinnige Verschwendung
von Arbeitskraft.“
„Keine stärkere Polizeipräsenz“
Ricquier geht noch weiter: „Die Territorialreform ist fehlgeschlagen.
Wenn der Minister behauptet, dass sie dazu geführt hat, dass die
Polizeireform eine stärkere Polizeipräsenz im Land garantiert, dann ist
das falsch. Es funktioniert überhaupt nicht. Der Bürger wird für dumm
verkauft.“
Den Preis dafür zahlen die Polizisten. Nicht nur, dass sie in ihrer Arbeit eingeschränkt würden, auch ihre Arbeitsbedingungen seien nun schlechter. „Es werden kaum Freiwillige für den zweistündigen Dienst in den Kommissariaten gefunden“, so Gewerkschaftspräsident Ricquier. „Deshalb wird nun auf jene Beamten zurückgegriffen, die in Teilzeit arbeiten.“
Prinzipiell sei es so, dass, wer eine Halbtagsaufgabe oder einen
teilweisen Elternurlaub beantrage, fünf Tage die Woche vier Stunden
arbeiten müsse. Aus praktischen Ursachen würde das aber so gehandhabt,
dass die Beamten so weit wie möglich in den achtstündigen Schichtdienst
eingebunden blieben. Dies sei nach einer Übereinkunft möglich. Nun würde
diese Einigung aber einseitig aufgekündigt. „Wiederum, nur um die
Alibifunktion fiktiver Kommissariate zu wahren“, wie Ricquier
hervorhebt.
„Die Territorialreform ist fehlgeschlagen“, sagt SNPGL-Präsident Pascal Riquier. Die Reform habe keine stärkere Polizeipräsenz geschaffen. „Der Bürger wird für dumm verkauft“, so Riquier. Foto: Pierre Matgé/LW-Archiv
„Wer Teilzeit beantragt, tut das aus einem bestimmten Grund“, erklärt
der Gewerkschafter weiter. „Und mit einem klaren Plan. Meistens geht es
dabei um die Organisation des Familienlebens. Nun wird dieses aber
einfach ohne jegliche Rücksichtsnahme durcheinandergewirbelt. Die
Bedingungen, unter denen sich diese Beamten für die Teilzeit entschieden
haben, sind nicht mehr gegeben.“
Nun würden diese Mitarbeiter dazu benutzt, um stundenweise von Kommissariat zu Kommissariat zu ziehen
und aus ihrem ursprünglichen Arbeitsumfeld herausgerissen. „Beamte, die
bislang im Schichtdienst, etwa in Grevenmacher, waren, Polizisten im
regulären Einsatz, müssen nun stundenweise nach Wormeldingen, oder nach
Wasserbillig fahren und werden für die verbleibende Arbeitszeit zum
Empfangsdienst in Grevenmacher eingeteilt.“ Auf der Schicht ersetzt
würden sie nicht.
Kostenfrage bleibt unbeantwortet
„Es gibt sicher Beamte, denen diese Arbeitseinteilung entgegenkommt – auf freiwilliger Basis“, sagt Pascal Ricquier. „Aber niemand sollte gezwungen werden.
Dazu stelle sich auch die Kostenfrage. „Ein Kommissariat, das leersteht und nur zum Schein für zwei Stunden besetzt wird, kostet den Steuerzahler viel Geld,
etwa für Miete, Heizung und Unterhalt“, betont Ricquier und verweist
auf eine parlamentarische Anfrage des ADR-Abgeordneten Fernand
Kartheiser zu „fiktiven Kommissariaten“.
In seiner Antwort habe der Ressortminister Etienne Schneider nicht
nur die auf ein Minimum reduzierten Öffnungszeiten von Kommissariaten
bestritten, sondern auch die Frage nach dem Kostenpunkt schlicht
unbeantwortet belassen.
Reduzierte Patrouillenzahl im Nachtdienst
Mehrfach wurde das „Luxemburger Wort“ seit Inkrafttreten der
Polizeireform darauf hingewiesen, dass es aufgrund der Reorganisation
vor allem nachts schwerwiegende Engpässe bei der Zahl der
einsatzbereiten Patrouillen gebe. In einer Vielzahl von Ortschaften soll
seither nachts nur noch jeweils eine einzige Patrouille im Einsatz
sein, was dann angesichts ihres großflächigen Einsatzgebietes zu
deutlich weniger Präsenz auf dem Terrain und längeren Anfahrtszeiten
führe.
Zudem ist zu vernehmen, dass neben dem bereits bestehenden
Personalmangel auch die Aufteilung der Einsatzkräfte hierfür
verantwortlich sei. So würden nun, mit dem Ziel ein subjektives
Sicherheitsgefühl zu fördern, tagsüber mehr Patrouillen in den Einsatz
geschickt als bisher. Dies würde dann dazu führen, dass außer in der
Hauptstadt und in Esch/Alzette auf der Nachtschicht über Land eben pro
Einsatzzentrum nur die Hälfte der Patrouillen – eine statt zwei – im
Dienst sei.
SNPGL-Präsident Pascal Ricquier wollte diese Aussagen auf Nachfrage hin nicht kommentieren. „Ich kann dazu aus Gründen der Sicherheit nichts sagen“, so der Polizeigewerkschafter.
