Foto: Guy Jallay / LW-Archiv 11. April 2018, Bonneweg: Nachdem ein Polizist mehrere Schüsse auf den Fluchtfahrer abgegeben hatte, war der Wagen an einem Baum zum Stehen gekommen. Der 51-jährige Fahrer erliegt kurze Zeit später seinen Verletzungen.
Steve Remesch Lokales 12.12.2018
241 Tage sind vergangen, seit es binnen drei Tagen jeweils ein Todesopfer bei zwei Polizeieinsätzen gab. Die Umstände beider Fälle sind grundverschieden, doch eines haben sie gemein: Die Öffentlichkeit wird darüber auch nach acht Monaten noch immer im Unklaren gelassen.
Ein tödlicher Unfall und tödliche Schüsse auf einen Autofahrer: Acht Monate sind vergangen, dass zwei tragische Vorfälle binnen weniger Tage das Land bewegten. Beiden Fällen lag eine Standardsituation zugrunde: Ein vor der Polizei flüchtender Autofahrer.
61 Mal wurden im Jahr 2017 Polizisten im Dienst angegriffen. Am
Nachmittag des 11. April dieses Jahres endete ein solcher Vorfall
tödlich – für den Angreifer.
Spurensuche in Bonneweg
An jenem Mittwoch vor acht Monaten waren Polizisten in Bonneweg scheinbar aufgrund von dessen Fahrweise auf einen Mercedesfahrer aufmerksam geworden. Als die Beamten den Wagen in der Nähe des Bonneweger Schwimmbads stellen wollen, versucht der Fahrer, ein 51-jähriger Niederländer, zu flüchten.
Tödliche Schüsse nach Angriff
An der Kreuzung der Rue des Ardennes mit der Rue Sigismond stellte sich schließlich ein Polizist dem flüchtenden Fahrer entgegen. Dieser soll seinen Wagen zunächst angehalten, dann aber zurückgesetzt und letztendlich brachial auf den Polizisten zu beschleunigt haben.
Der Beamte feuerte mehrere Schüsse auf den Wagen. Der Mercedes kam schließlich rund 60 Meter weiter an der Place Léon XIII an einem Straßenbaum zum Stehen. Der Fahrer verstarb kurze Zeit später an einer Schusswunde.
Ob es eine Vorgeschichte gab, etwa ob möglicherweise bereits nach dem Mann und seinem Wagen gefahndet wurde, ist nicht bekannt. Von offizieller Seite wurde lediglich mitgeteilt, dass der Fahrer wegen Verkehrsvergehen polizeibekannt und nicht im Besitz eines gültigen Führerscheins war.
Absolute Notwendigkeit
Relevant ist in diesem Fall ohnehin vor allem eine andere Frage:
Waren die Schüsse gerechtfertigt? Das Gesetz vom 28. Juli 1973 besagt,
dass Sicherheitskräfte „im Fall der absoluten Notwendigkeit“ unter
anderem dann von ihrer Waffe Gebrauch machen können, wenn sie Gewalt
ausgesetzt sind, oder wenn sie mit Waffen angegriffen oder bedroht
werden.
Flucht nimmt blutiges Ende
Das Auto gilt im Strafrecht als Waffe, wenn es als solche eingesetzt wird. Mit der Frage, ob eine absolute Notwendigkeit bestand, befassen sich die Untersuchungen der Abteilung für interne Ermittlungen (Inspection générale de la police), welche prinzipiell nach jedem Schusswaffengebrauch eines Polizisten Ermittlungen einleitet.
Falls die Ermittlungen zum Schluss kommen, dass die Bedingungen für den Schusswaffengebrauch erfüllt waren, dürfte es wohl kaum zu einem Gerichtsverfahren kommen. Und es ist erfahrungsgemäß nicht anzunehmen, dass die Öffentlichkeit, darüber hinaus detailliert über die Hintergründe und genauen Umstände informiert wird.
Flucht mit tödlichen Folgen
Anders ist das bei dem zweiten tödlichen Vorfall binnen drei Tagen
während eines Polizeieinsatzes im April 2018. Hier wird es weit höherer
Wahrscheinlichkeit zu einem Prozess kommen und es wird gegen zwei
Personen ermittelt.
Sekundenbruchteile mit Folgen
In der Nacht zum 14. April hatten Polizisten in Wemperhardt die Verfolgung eines Autofahrers aufgenommen, der seinen Wagen vor dem Kontrollpunkt an der N 7 gewendet hatte. Im Laufe der Verfolgungsfahrt waren in Lausdorn zwei Polizeifahrzeuge kollidiert. Ein Polizist kam bei dem Unfall ums Leben, seine Kollegin wurde sehr schwer verletzt.
Anklage wegen fahrlässiger Tötung
Nach dem Fluchtfahrer wurde mit großem Aufwand gefahndet. Nachdem er identifiziert war, erhob ein Untersuchungsrichter aus Diekirch Anklage gegen den 37-Jährigen. Er ist der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung beschuldigt, obwohl er nicht direkt in den Unfall verwickelt war. Allerdings gilt er für die Strafverfolgungsbehörde als Auslöser für die Verfolgungsfahrt. Es ist das Rechtsprinzip des geringsten Fehlers: Sein Handeln hatte den weiteren Verlauf der Dinge zur Folge.
14. April 2018, Lausdorn: Bei einem tragischen Unfall auf der N 7 wird ein Polizist getötet und seine Kollegin auf dem Beifahrersitz lebensgefährlich verletzt. Foto: Alice Enders / LW-Archiv
Ermittelt wird aber auch gegen einen direkt am Unfall beteiligten Polizisten: den Fahrer des Polizeibusses, der den in der Kreuzung in Lausdorn wendenden Streifenwagen erfasste, in dem ein Polizist starb und eine Polizistin lebensgefährlich verletzt wurde.
Anwalt: „simplistisch und rechtlich falsch“
Über den Stand der Ermittlungen ist nichts bekannt. Lediglich, dass diese noch nicht abgeschlossen sind. Erst wenn dies geschehen ist, kann einer Ratskammer des zuständigen Bezirksgerichts der Abschlussbericht vorgelegt werden, und diese entscheiden, ob die Beweislage ausreicht, um einem oder beiden Beschuldigten einen Prozess zu machen.