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Das gelebte Unsicherheitsgefühl in Esch/Alzette entspricht nicht der realen Unsicherheit, sagt Polizeiregionaldirektor Daniel Reiffers
Lokales
Eine Drogenrazzia, zerstörte Bushaltestellen und eine Hammerattacke. In den vergangenen Monaten kam Esch/Alzette aus den Schlagzeilen nicht heraus. Dennoch sei der Ruf von Esch schlechter als die tatsächliche Lage, erklärt Daniel Reiffers, Regionaldirektor der Polizei für den Südwesten im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“. Während Einbrüche oder gewaltsame Diebstähle stabil blieben, nehme der Vandalismus ab. Die Razzia habe ihrerseits ein Zeichen gesetzt.
Esch hatte noch nie den besten Ruf. Ist es hier tatsächlich schlimmer als anderswo im Land?
Nein! Das kann ich ganz klar so sagen. Ich bin nun seit fast vier
Jahren hier. Esch hat einfach generell ein Imageproblem. Das betrifft
nicht nur die Kriminalität oder die Unsicherheit, sondern ist allgemein
der Fall. Fakt ist, dass im Süden, in puncto Ökonomie und Soziales, die
schwächste Bevölkerung anzutreffen ist, die es im Land gibt. Das macht
sich auch bei unseren Einsätzen bemerkbar.
Wir waren es jetzt hier kürzlich mit ein paar spezielleren
Situationen konfrontiert, das stimmt. Die kann man aber herausscreenen.
Das bedeutet nicht, dass hier in Esch Bronx-ähnliche Zustände herrschen
würden.
Es gibt Dinge, die wir permanent messen und bekämpfen, wie Einbrüche
oder gewaltsame Diebstähle. Dagegen gehen wir auch vor. Jede
Gesetzeswidrigkeit ist eine zu viel. Aber ich lese nicht aus den Zahlen
heraus, dass wir hier in Esch oder in der Region ein riesiges Problem
hätten.
„Ich lese nicht aus den Zahlen heraus, dass wir hier in Esch oder in der Region ein riesiges Problem hätten“, so Polizeiregionaldirektor Daniel Reiffers. Foto: Lex Kleren
Sie sagen, es herrschen keine Bronxähnlichen Zustände. Jetzt hat
es im Oktober aber eine Drogenrazzia auf offener Straße gegeben. Das ist
aber schon eine Angelegenheit von größerem Ausmaße.
Richtig, das stimmt. Ich muss auch dazu sagen, dass die Kollegen von
der Kriminalpolizei das im Vorfeld gemeinsam mit der Kriminalbehörde gut
vorbereitet haben. Wir waren involviert und auch die Spezialeinheiten.
Es ging dabei auch ganz klar darum, einen Akzent in Esch zu setzen. Zu
zeigen, dass die Regeln für Esch, für die Avenue de la gare und überall
sonst gelten. Wir werden aufpassen, dass wir keine rechtsfreien Zonen
hier zulassen.
Es ging also darum, ein Zeichen zu setzen?
Es ging darum, polizeilich so vorzugehen, um uns ein Maximum an
Chancen zu geben, um die Täter zu fassen. Und ja, es ging auch darum,
ein Zeichen zu setzen. In Esch wurde dies auch positiv begrüßt. Esch
hatte das auch bitter nötig.
Nach Drogenrazzia: Verdächtige in U-Haft
Der Drogenhandel spielte sich auf der Straße, vor Cafés ab. Welche
Rolle gebührt dabei den Caféeigentümern oder den -betreibern?
Da muss man jetzt abwarten, was die Ermittlungen liefern. Hier kann
nur der Staatsanwalt darauf antworten. Es gibt Bestimmungen im Gesetz,
wenn man Gegenstände wie Räumlichkeiten wissentlich für Straftaten zur
Verfügung stellt. Ich will den Ermittlungen aber nicht vorgreifen. Auch
in der Rue de la libération gibt es problematische Cafés. Wir hatten
schon Unterredungen mit den Betreibern und der Brauerei.
Es kann nicht sein, dass die Leute ab 6 Uhr dort nicht mehr schlafen
können und dass abends auch viel Lärm ist. Da gibt zudem viele
Geschäftsleute, die sich fragen, was da abläuft. In der Avenue de la
gare und in der Rue de la libération gibt es eine bestimmte Szene. Wir
greifen auch regelmäßig in der Rue de la libération ein.
Mit dem Resultat, dass es einen Verdrängungseffekt gibt. Diese Leute verschwinden ja nicht. Wir sind auch im permanenten Kontakt mit der Escher Gemeinde, um da auch Lösungen zu finden.
Ist mit der Razzia in der Avenue de la gare das Problem behoben – oder eben nur verdrängt?
Das Problem ist teilweise gelöst, teilweise aber auch verdrängt. Da
spielt auch ein wenig der Nimby-Effekt mit – jeder will, dass das
Problem vor seiner Haustür gelöst wird. Wir können im gesetzlichen
Rahmen agieren. Wenn die Leute uns rufen, kommen wir auch.
Fakt ist aber, dass wir eine Lösung herbeiführen müssen, hier in Esch. Da ist die Polizei aber nur ein Partner unter vielen.
Bei der Razzia war es auch so, dass Personen festgenommen wurden,
die a priori nichts mit Drogen zu tun hatten, sondern aufgrund ihrer
Hautfarbe festgenommen wurden.
Rund um diesen Einsatz wurde viel Polemik betrieben. Der
Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt waren vor Ort. Sie haben
selbst mitentschieden, wie es ablaufen sollte. Das jetzt so zu sagen, na
ja…
Das ist eine Polemik, die vom Polizeilichen her gar keinen Bestand
hat. Egal, wen wir antreffen, wenn jemand Gesetzesverstöße verübt, dann
schreiten wir ein. Hautfarbe oder Religion spielen da keine Rolle. Wir
üben unsere Mission aus, so, wie sie uns angeordnet wird.
Aufatmen nach der Drogenrazzia
Natürlich kann man da Fragen stellen. Wir sind aber nicht die, die
darauf antworten können. Wir haben aufgrund internationaler
Rechtshilfeersuchen agiert. Die Aktion war ja auch kein Zufallsprodukt.
Das wurde nicht morgens beim Aufstehen entschieden. Da gab es eine
längere Vorbereitungsphase.
Wenn der Fall bis vor Gericht verhandelt wird, werden die Elemente
der Untersuchungen auch vielleicht klarer, es wird deutlich, wie die
Informationen gesammelt wurden.
Thema Vandalismus. In Lallingen haben Unbekannte in der Nacht von Halloween Bushäuser zerschlagen. Hat es sich hierbei um einen isolierten Akt gehandelt oder gibt es eine reale Vandalismusproblematik in Esch?
Vandalismus gibt es generell weniger. Wir hatten es zuletzt mit
Leuten zu tun, die auf der Autobahn gesprayt haben, die haben wir auch
gekriegt. Aber es ist nicht so, dass generell viel kaputt geschlagen
wird.
Noch vor ein, zwei Jahren hatten wir ein Problem bei der Brillschule.
Zusammen mit der Gemeinde haben wird ausgelotet, wie man mit einfachen
Mitteln für mehr Sicherheit und weniger Beschädigung sorgen kann. Wir
haben das Lehrpersonal sensibilisiert und die Gemeinde hat eine
Straßenlampe vor Ort aufgestellt.
Schlagartig war das Problem gelöst. Das bedeutet aber nicht, dass
damit alle Probleme gelöst sind. Aber der Druck an diesem Standort hat
sich gelegt.
Durch eine einfache Lampe?
Es ist nicht so, dass wir hinter jeden Baum einen Polizisten
hinstellen müssen. Bei einem guten Austausch mit den anderen Akteuren,
in diesem Fall die Gemeinde und das Lehrpersonal, findet man Lösungen.
Es ist kein Allheilmittel. Deshalb haben wir auch unseren
Präventionsdienst, der permanent mit solchen Angelegenheiten befasst
ist.
Abends fühlt sich manch einer in Esch nicht wohl. Schlimmer als anderswo ist die Lage laut Polizei aber nicht. Foto: Anouk Antony
Bei einem weiteren Vorfall hat kürzlich an einer Bushaltestelle ein Mann eine Frau mit einem Hammer angegriffen.
Da bestand eine familiäre Bindung zwischen Opfer und Täter. Es ist eine Beziehungstat. Das hat nichts mit Esch zu tun.
Diese Vorgänge tragen aber dazu bei, dass das Unsicherheitsgefühl
größer wird. Sie haben diesbezüglich auch an öffentlichen Sitzungen über
das Thema teilgenommen.
Wir sagen auch nicht, dass es hier null Kriminalität gibt. Aber, was
ich den Leuten sage, ist, ihr tragt auch zur negativen Stimmung bei. Es
gibt Probleme. Aber das subjektive Unsicherheitsgefühl, so wie es
empfunden wird, findet sich leider, oder besser gesagt Gott sei Dank,
nicht so in der Realität wieder.
Die Anzahl an gewaltsamen Diebstählen oder der Einbrüche ist zuletzt
gesunken. Bei Einbrüchen sind wir in Esch mit dem Phänomen konfrontiert,
dass oft in unbewohnte Häuser eingebrochen wird. Also Gaststätten oder
Arztpraxen. Das ist noch eine andere Kategorie, als wenn Diebe in die
Intimsphäre eines Menschen eindringen und das Zuhause auf der Suche nach
Wertsachen durchwühlen.
Ein großes Thema in Esch waren auch die Flüchtlinge. Anfang 2017
herrschte in Lallingen eine große Unruhe, als dort das Heim in der
früheren Ediff-Schule eröffnet wurde.
Da war in der Tat eine große Polemik entstanden. Aber ich muss sagen,
dass wir dort gar keine weiteren Probleme haben. Am Anfang war das
hochgekocht. Wir haben ganz andere Standorte, wo wir mehr intervenieren
müssen. Mittlerweile hört man nichts mehr davon. Wir pflegen auch einen
guten Kontakt mit den Leuten vor Ort.
Wir hatten die eine oder andere Aktion mit ihnen gestartet. Wir haben
zum Beispiel intern Kleider gesammelt. Das, was manche befürchteten,
kann ich in puncto Interventionen nicht nachvollziehen. In Lallingen war
das größte Problem, dass die Einwohner nicht im Vorfeld informiert
worden waren. Als diese Informationen bis auf dem Tisch lagen, war die
Luft schnell raus. Kommunikation ist hier das A und O.
Die Rue de la libération gehört zu den Straßen in denen sich zwielichtige Gestalten öfters aufhalten. Foto: Anouk Antony
Und wie ist es in puncto Kommunikation mit der Gemeinde?
Die läuft gut. Bereits mit Bürgermeisterin Vera Spautz hatten wir
eine ganz gute Zusammenarbeit, und das ist jetzt mit der neuen
Mannschaft auch der Fall.
Es war ein Sicherheitsgremium ins Leben gerufen worden. Tagt das immer noch?
Das letzte Gremium, an dem ich teilgenommen habe, war noch unter Vera Spautz. Aber ich muss sagen, dass wir damals schon festgestellt haben, dass kein Druck mehr dafür besteht. Ab dem Moment, wo die Leute gehört wurden, ihre Ideen mit einfließen lassen konnten und dem Rechnung getragen wurde, war alles in Ordnung.
Das konnte man in den öffentlichen Informationssitzungen zum Thema Unsicherheitsgefühl beobachten.
Ja, zum Schluss war die Luft heraus. Dann hat es keinen Sinn, nur Sitzungen einzuberufen, um zusammenzusitzen.
Das Escher Polizeikommissariat wird auf dem Parkplatz vor dem stillgelegten Stahlwerk in Lallingen umziehen. Foto: Anouk Antony
Zum Polizeikommissariat. Ein neues Gebäude soll auf dem
Stahlwerksparkplatz bei Lallingen entstehen. Wo liegt das Problem mit
dem aktuellen Gebäude am Boulevard Kennedy?
Dieses Gebäude ist vorne und hinten zu klein. Es wird auch nicht mehr
unseren polizeilichen Vorgaben gerecht. Wir bräuchten eine öffentliche
Zone, wo wir Personen empfangen können, und eine polizeiliche Zone, die
davon getrennt ist. Das ist hier aber nicht der Fall. In Differdingen
oder Düdelingen stellt sich die Problematik ähnlich dar, auch in
Capellen.
Wir sind da noch nicht auf dem letzten Stand, was unsere
Polizeistandorte anbelangt. Es ist nicht nur eine Frage der Sicherheit,
aber auch der Qualität am Arbeitsplatz. Der Polizist schaut auch ganz
genau: „Wie sitze ich da?“ Und dann wird oft die Wahl getroffen, nicht
in den Süden zu kommen.
Und vom Standort her?
Egal, wohin wir umziehen, es wird immer eine Polizeistelle hier im Zentrum bleiben. Eine Einheit wird immer hier sein. Was Sinn macht, ist, dass wir uns den neuen Standort gemeinsam mit dem Corps grand-ducale d’incendie et de secours (CGDIS) teilen werden. Weil wir doch vieles haben, was ineinandergreift.S