

Von Steve Remesch
Polizisten unter Druck: Laut Polizeigewerkschaft werden vielen Beamten unter dem Vorwand von Bereitschaftsdiensten regelmäßige Doppelschichten aufgezwungen. Die Polizei verstoße in Personalfragen in vielerlei Hinsicht gegen das Gesetz.Fotos: Pierre Matgé
„Et war nach ni esou schlëmm wéi elo“, sagt der Präsident des Syndicat national de la police grand-ducale (SNPGL), Pascal Ricquier, im Vorfeld der Generalversammlung der Polizeigewerkschaft heute Abend. Lange war über die Polizeireform gestritten worden, nun ist sie in Kraft und schon hapert es bei der Umsetzung. Knackpunkt ist unter anderem die Arbeitszeitregulierung, die auf Anregung des Staatsrats in das Polizeigesetz integriert wurde.
Dazu kommt, dass die entsprechende EU-Direktive aus dem Jahr 2003 schlecht umgesetzt wurde, so Ricquier. „Luxemburg hat das nationale Gesetz restriktiver ausgelegt als die Direktive. Letztere erlaubt Überstunden auf eine Referenzperiode von vier Monaten. In unserem Gesetz gibt es keine solche Referenzperiode“, erläutert der SNPGL-Präsident. Die Überstunden sind auf acht Stunden pro Woche beschränkt und es sind genaue Arbeitszeiten festgelegt.
Doppelschichten für Polizisten
„Die Polizei muss sich genau wie jeder andere auch an dieses Gesetz halten“, bekräftigt Pascal Ricquier. „Tut sie aber nicht.“ Sie verstoße vorsätzlich gegen geltendes Arbeitsrecht. Das gehe so weit, dass Beamte regelrechte Doppelschichten leisten müssten.
„Wir haben viel erreicht“
Als Beispiel nennt er die Unité de garde et d’appui opérationnel UGAO (vor der Reform Unité de garde et réserve mobile), die auch den Transport von Untersuchungshäftlingen abwickelt und vom 1. September an zudem jenen der verurteilten Straftäter. Bereits jetzt gebe es nicht ausreichend Beamte, um diese Aufgabe zu bewältigen. Deshalb habe die Direktion zunächst Beamte aus Kommissariaten abgezogen, die dann die UGAO-Mannschaften unterstützten. Das habe dann aber die Kommissariate so sehr beeinträchtigt, dass man damit wieder aufgehört habe.
Doch die neue Lösung sei noch schlimmer: „Die Beamten erledigen ihren Schichtdienst und leisten jeden Tag ohne besonderen Anlass Überstunden“, erklärt Ricquier. „Dann werden sie nach Feierabend noch zum Bereitschaftsdienst eingeteilt.“
Fiktive Kommissariate
Das ergebe für Notfälle durchaus Sinn. Allerdings würden die Beamten dann für gewöhnliche und vorhersehbare Einsätze zurück zum Dienst beordert. „Die Frage ist nicht, wann sie gerufen werden, sondern, ob gleich nach Dienstschluss oder eine Stunde später“, ärgert sich Ricquier.
17 Stunden am Tag arbeiten
„Da gibt es Leute, die müssen 17 Stunden am Tag arbeiten. Es gibt Beamte, denen zwischen Bereitschaft und erneutem Schichtbeginn nicht einmal sechs Stunden bleiben. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo es schlimmer nicht mehr geht. Und das betrifft nicht nur den UGAO, es gibt ähnliche Situationen bei anderen Dienststellen.“ Dabei sei das Gesetz klar: Überstunden darf es nur im Notfall geben.
Gefangenentransporte: „Das System wird 2019 kollabieren“
„Das Statut der Staatsbeamten sieht vor, dass diese im Prinzip zwischen Montag und Samstag fünf Tage arbeiten“, erklärt Ricquier. „Nicht am Sonntag und nicht nachts.“ Dass dies bei einzelnen Staatsdiensten nicht möglich ist, sei klar – bei Streudiensten, Rettunsdiensten, Armee und der Polizei etwa. Hier sieht das Gesetz eine Ausnahmeregelung per großherzoglichem Reglement vor, die einen Schichtdienst ermöglicht.
Bei der Polizei versuche man nun, diesem Règlement grand-ducal aus dem Weg zu gehen. „Davon, dass wir damit ständig in der Illegalität sind, will niemand etwas wissen“, kommentiert der SNPGL-Präsident. „Es heißt dann, der Verwaltungschef, also der Polizeigeneraldirektor, könne entscheiden, wie gearbeitet wird. Doch dem ist nicht so. Ausnahmen zum Gesetz kann nur ein großherzogliches Reglement festlegen. Sonst öffnen wir Tür und Tor für Missbrauch. Dann setzt sich der Verwaltungschef schlicht und einfach über das Gesetz hinweg und regelt die Arbeitsbedingungen nach Lust und Laune.“
Minister hinters Licht geführt
„Um das Problem zu lösen, ist es kein Riesensprung“, betont Pascal Ricquier. „Wir müssen uns nur an die EU-Direktive anpassen. Dann ist ein klarer, gesetzlicher Rahmen gesetzt und noch dazu einer, der es der Polizei wieder erlaubt, zu funktionieren.“ Doch das wolle man nicht. Auch kein Arrangement unter Sozialpartnern.
SNPGL stoppt Dialog mit der Polizeidirektion
Mit einem Brief habe die Polizeidirektion versucht, Ressortminister François Bausch hinters Licht zu führen, indem sie vermittelt habe, dass man sich mit den Gewerkschaften so gut wie einig sei. Zudem habe man eine permanente Genehmigung für Überstunden beantragt.
Auf einer dreiseitigen Liste habe sie aufgeführt, wann ein Notfall denn ein Notfall sei. Doch anstelle von dem, was gesetzlich als Notfall definiert wird – demnach eine Situation, in der Menschen akuter Gefahr ausgesetzt sind – seien normale und vorhersehbare Dienstvorgänge aufgelistet worden.
„Wir wollen uns das nicht gefallen lassen“, meint Pascal Ricquier. Wie die Gewerkschaftsbasis reagiert, wird sich heute Abend bei der Generalversammlung in Walferdingen zeigen.
Luxemburger Wort vom Montag, 18. März 2019, Seite 19 (43 Views)
Polizisten sollen Anzeige erstatten
Wissentlich und vorsätzlich setze sich die Polizeidirektion über Gesetze und Urteile des Verwaltungsgerichts hinweg, betont der Präsident der Polizeigewerkschaft, Pascal Ricquier, im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“. Zudem würden Vorgesetzte dazu gebracht, falsche Order auszugeben. „Dabei sind wir die Polizei“, ärgert sich Ricquier. „Wir sind nicht irgendein anderer Staatsbetrieb. Wir müssen zusehen, dass der Bürger sich an das Gesetz hält. Wenn er das nicht tut, ziehen wir ihn dafür zur Rechenschaft. Und nun ist es die Polizei, die sich nicht an Gesetze hält. Das können wir nicht bringen.“ Wenn eine Privatfirma so vorgehe, dann müsse sie sich dafür vor Gericht verantworten. Man könne dem nicht mehr zusehen. „Wir fordern die von illegalen Vorgängen betroffenen Beamten dazu auf, die Inspection générale de la police mit dem Sachverhalt zu befassen. Das ist eine schwerwiegende Dysfunktion in der Polizei und dafür ist die Polizeiinspektion zuständig. Die muss dazu Ermittlungen einleiten. Das ist deren Aufgabe.“
