journal.lu – 19.04.2019

Lediglich in Ausnahmefällen, wenn keine spezialisierten Beamte verfügbar seien, „kann es vorkommen, dass sich die Polizei in Uniform um die Ausführung der Platzierung kümmert“, sagt Justizminister Braz Foto: Editpress/Isabella Finzi
LUXEMBURG
CHRISTIAN BLOCK
Platzierung von Minderjährigen: In manchen Fällen muss schnell gehandelt werden
Justizminister Félix Braz (déi gréng) verteidigt die Praxis der Abholung von Minderjährigen durch die Polizei, wenn diese auf Anweisung der Justiz in eine Pflegefamilie oder ins staatliche „Centre socio-éducatif“ platziert werden. Die Polizei werde in den Fällen von der Staatsanwaltschaft mit der Durchführung der Platzierung beauftragt, in denen die Eltern mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sind oder von ihnen eine Gefahr für die Kinder ausgeht, antwortet der grüne Minister auf eine parlamentarische Anfrage des adr-Abgeordneten Roy Reding. Braz weist allerdings darauf hin, „dass es zum jetzigen Zeitpunkt keinen verfügbaren Dienst gibt, der 7/7 Tage und 24 auf 24 Stunden die Ausführung der Platzierung von Minderjährigen sicherstellen kann“. Dieser Umstand sei auch Familienministerin Corinne Cahen und Erziehungsminister Claude Meisch (beide DP) bekannt. Laut Informationen von Roy Reding – zumindest wollte er dies bestätigt wissen – hätten die beiden Liberalen Braz aufgefordert („intervenéiert“), „diese Praxis zu stoppen“. Geht man nach der Antwort von Justizminister Braz, ist dies zum derzeitigen Zeitpunkt schlicht nicht möglich. „Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass sich die dringlichen Platzierungen oft außerhalb der normalen Bürozeiten abspielen“. In Notsituationen müsse schnell gehandelt werden.
Spezialisierte Beamte in Zivil
Braz zufolge holen in der Regel zudem „im Bereich des Jugendschutzes spezialisierte“ Polizeibeamte, in „Ziviluniform“ und mit unauffälligen Autos die Jugendlichen ab. Lediglich in Ausnahmefällen, wenn diese spezialisierten Beamten nicht verfügbar seien, „kann es vorkommen, dass sich die Polizei in Uniform um die Ausführung der Platzierung kümmert“, so Braz weiter. Entscheidet sich die Polizei etwa, einen Minderjährigen in der Schule abzuholen, weil im Wohnsitz eine „weitere Eskalation im familiären Milieu“ zu befürchten sei, „versucht die Polizei immer, diskret vorzugehen“. Laut Angaben der Regierung waren in den beiden vergangenen Jahren, Ende 2017 und 2018 je 128 und 107 Minderjährige im „Centre socio-éducatif de l‘Etat“ platziert und weitere 500 beziehungsweise 526 (zum 1. Oktober des jeweiligen Jahres) in Pflegefamilien. Dem Justizminister zufolge wurden 2017 laut einer Schätzung „weniger als die Hälfte der Platzierungen von Minderjährigen von der großherzoglichen Polizei ausgeführt“. Eltern können ihre Kinder selbst in die jeweilige Institution bringen. Diese Lösung werde, wo möglich, bevorzugt.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen über die Reform des Jugendschutzgesetzes hatte der adr-Abgeordnete seine parlamentarische Anfrage formuliert. Er wollte wissen, warum die Abholung durch Polizeibeamte immer noch praktiziert werde und fragte, wohl nicht ganz unschuldig, den Minister, ob er wisse, dass diese Praxis beispielsweise vom „Ombudscomité fir d‘Rechter vum Kand“ (ORK) „als ,eine institutionalisierte Misshandlung‘ bezeichnet wird“.