PRESSE Wort.lu Henri Kox: „Dem öffentlichen Interesse dienen“

Henri Kox will das Ministerium für Innere Sicherheit breiter aufstellen.
Henri Kox will das Ministerium für Innere Sicherheit breiter aufstellen. Foto: Gerry Huberty

Der grüne Minister für innere Sicherheit will junge Menschen für eine Polizeikarriere motivieren.

Interview: Marc Hoscheid und Steve Remesch

Seit Juli ist Henri Kox (Déi Gréng) Minister für Innere Sicherheit. In dieser Funktion ist er mit einem massiven Personalmangel bei der Polizei konfrontiert. Um diesen Missstand zu beheben, wurde eine Kampagne gestartet, um vor allem junge Menschen für eine Karriere bei der Polizei zu begeistern. Im „Wort“-Interview spricht Kox über die reformierte Ausbildungsprozedur, die verstärkte Anwerbung von Zivilisten sowie die mögliche Öffnung von EU-Ausländern. Doch auch der Streit mit der Polizeigewerkschaft SNPGL um die Zeitsparkonten ist ein Thema.

Henri Kox, bis 2023 will die Polizei 847 Personen, 607 Polizisten und 240 Zivilisten anwerben. Mit welchen drei Argumenten würden Sie einen jungen Menschen zum Eintritt in die Polizei zu überzeugen versuchen? 

Er repräsentiert die Sicherheitskräfte unseres Landes und hat einen ganz hohen deontologischen Kodex zu beherzigen, weil er somit hilft, das Land nach vorne zu bringen. Zweitens erlebt er eine große Solidarität in der Polizei. Außerdem bin ich erstaunt über die große Vielfalt an unterschiedlichen Berufen, die man innerhalb der Polizei ausüben kann. Es existieren zudem viele Aufstiegsmöglichkeiten. Deswegen denke ich, dass es für viele junge Menschen eine Perspektive gibt, um dem öffentlichen Interesse zu dienen. Denn das öffentliche Interesse steht über dem persönlichen. 

Die Zahl von 847 zusätzlichen Beamten scheint ziemlich ambitioniert, wenn man bedenkt, dass die Polizei mit dem Staat und der Armee um ein begrenztes Kandidatenkontingent konkurriert. Wird die Ernüchterung nicht umso größer sein, wenn das Ziel am Ende vielleicht sogar deutlich verfehlt wird? 

Wir stehen auch in Konkurrenz mit dem Rettungsdienst CGDIS, der viele Personen für die Karriere B1 rekrutieren möchte. Ich bin aber ein optimistischer Mensch und möchte die Menschen für den Beruf des Polizisten begeistern. Dafür bedarf es auch neuer Infrastrukturen, beispielsweise einer neuen Polizeischule, die bis zum 1. April nächstes Jahres fertig sein muss, um 200 Rekruten aufnehmen zu können. Ich setze alle politische Energie und finanziellen Mittel daran. Theoretisch verfügen wir über 5.000 potenzielle Kandidaten, die über das neuerdings geforderte Staatsexamen verfügen. Davon sind zehn bis zwölf Prozent Frauen, was zeigt, dass sich unsere Kampagne an beide Geschlechter richten muss. Das Potenzial ist jedenfalls da. 

Wenn das nicht ausreicht, könnten Sie sich dann auch vorstellen, die Polizei für Bürger anderer EU-Staaten zu öffnen? 

Das ist derzeit keine Priorität. Das Parlament hat jedoch mit breiter Zustimmung angeregt, diese Möglichkeit zu prüfen. Ich werde mich dieses Dossiers annehmen, aber momentan haben wir andere Baustellen in der Polizei, die ich erst beenden möchte, bevor ich im nächsten Jahr eine neue eröffne.  

Wie wollen Sie denn sicherstellen, dass die luxemburgische Polizei luxemburgisch bleibt? 

Warum sollte sie denn ausländisch werden? Die luxemburgische Sprache bleibt eine Voraussetzung. Wir leben in einem Rechtsstaat, in dem wir es EU-Bürgern erlauben, Bürgermeister zu werden, der per Gesetz der Chef verschiedener polizeilicher Administrationen ist. Wir vertrauen dem Chef, aber nicht dem, der es vor Ort umsetzen soll? 

Bis 2023 gehen natürlich auch Polizisten in Rente. Wie hoch ist diese Zahl genau? 

Das weiß ich nicht. Es geht aber auch nicht um die konkreten Zahlen. Wir können die Verluste auffangen, weil viele noch länger bleiben, um den letzten Dienstgrad zu erreichen, was auch legitim ist. Das Ziel ist, dass die Sollstärke von 2.409 Personen am 1. Januar 2021 auf 3.126 am1. Januar 2026 steigt. Die Abgänge sind darin bereits eingerechnet, dazu kommen eben 607 Polizisten und 240 Zivilisten.  

Der Einstellungsprozess wurde reformiert, Kritiker sprechen von einer Absenkung der Kriterien. Wie reagieren Sie darauf? 

Das ist die typische Schuldebatte über das „Nivellement vers le bas“. Ich halte dem entgegen, dass der Horizont des Polizisten heute viel größer als früher ist, weil er sich mit mehr Dingen beschäftigen muss. Wir müssen in erster Linie das Fundament schaffen, beispielsweise die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit, der Schutz vor physischer Gewalt und die Leute dazu motivieren, sich selbst weiterzubilden. Wir müssen die Schwächen, die jeder hat, identifizieren und dann ausmerzen. Die Polizei verfügt über das Monopol der Gewaltausübung, das ist eine große Verantwortung, die verlangt, dass man sich selbst infrage stellt. 

Die theoretische Ausbildung wird von zwei auf ein Jahr reduziert, was mit sich bringt, dass die Schüler acht Unterrichtsstunden pro Tag haben. Dies entspricht dem Lehrumfang einer Première. Was bleibt dabei mehr auf der Strecke, der Polizeischüler oder die Materie? 

Ich komme aus der Schule und habe mich dort für handlungsorientierten Unterricht begeistert. So kann man das Gelernte direkt in die Praxis umsetzen. Im ersten Jahr erhält der Rekrut sowohl Theorie als auch Praxis. Aber auch im zweiten Jahr erhält er Theorie und wird nicht alleine gelassen. 

Ab dem zweiten Jahr an der Polizeischule begleitet der Rekrut erfahrene Beamte bei ihrer Arbeit, ist das wirklich eine Verstärkung oder nicht eher eine Belastung bei der alltäglichen Arbeit? Werden die älteren Polizisten auf ihre Rolle als Ausbilder vorbereitet, die haben vielleicht auch schon länger nicht mehr mit jungen Kollegen zusammengearbeitet? 

Wenn Sie sich die Realität vor Ort anschauen, dann merken Sie, dass viele junge Polizisten im Einsatz sind. Das heißt, der Junge ist mit Jungen unterwegs. Natürlich ist es aber eine große Herausforderung, weil es neu ist. Vor allem für die Polizeischule, die bisher auf 100 Rekruten ausgerichtet war und jetzt verdoppeln wir die Zahl. Die Lehrer sind meist keine klassischen Lehrer, sondern Experten von außerhalb. Bei der Schule möchte ich mich mit meiner Erfahrung aus dem pädagogischen Bereich besonders einbringen, denn hier wird das Fundament gelegt. 

Dieses Gebäude gegenüber der Polizeizentrale nahe des Findel soll ab dem 1. April 2021 als neue Polizeischule dienen.
Dieses Gebäude gegenüber der Polizeizentrale nahe des Findel soll ab dem 1. April 2021 als neue Polizeischule dienen.
Foto: Gerry Huberty

Wird es Weiterbildungen für die erfahrenen Polizisten geben? 

Es gibt bereits jetzt ständig Weiterbildungen, die ich aber noch nicht kenne, weil ich diesen Bereich noch nicht besucht habe. Diese finden oftmals im Ausland statt, das könnten wir ändern und vieles hierzulande und über Videokonferenzen organisieren. 

Für hoch spezialisierte Posten wollen Sie zunehmend Zivilisten anwerben. Müssen diese eine spezifische Polizeiausbildung absolvieren? 

Diese Diskussion hatte ich rezent mit den Vertretern der Police judiciaire. Das Kriterium der Ehrbarkeit wird auch für Zivilisten gelten, das werde ich im Gesetz anpassen. Am 29. Oktober werde ich das in der Chamber diskutieren. Man muss die Leute an ihre Arbeit heranführen, nicht jeder ist vor Ort aktiv und die, die es sind, müssen darauf vorbereitet werden. Es handelt sich bei den Zivilisten allerdings nicht um Waffenträger. Diese Aufgabe ist nicht einfach, aber die Gesellschaft ist mittlerweile so komplex geworden, dass man Wissen aus unterschiedlichen Bereichen braucht. Es ist zudem eine Chance, die Polizisten bei ihrer Arbeit zu entlasten. 

Befürchten Sie nicht, dass diesen wegen mangelnden Stallgeruchs in Verbindung mit besseren Karrieremöglichkeiten mit Misstrauen begegnet wird? 

Wenn wir das Problem mit den Karrieren gelöst und die Besoldungsgruppe B1 eingeführt haben, dann dürfte die Entwicklung gar nicht so schlecht sein. Die größte Sorge besteht im Bereich B1 und C1, wir wollen künftig vor allem für die Karriere B1 rekrutieren, was aber nicht bedeutet, dass wir für die Stufe C1 niemanden mehr einstellen. In einigen Bereichen stellt sich die Frage, ob wir die Polizeiarbeit nicht neu definieren können. Der Gefangenentransport wird von Vertretern der Stufe C2 gewährleistet, diese Leute sollen auch Aufstiegsperspektiven haben, wenn sie die nötigen Schulungen absolvieren. 


IPO , PK Police , vlnr  Philippe Schrantz ,  Henri Kox , Foto:Guy Jallay/Luxemburger Wort
Polizei: 847 neue Posten bis 2023

Viele Leute sind auch absolut überqualifiziert. 

Das stimmt, beispielsweise im Bereich der Bewachung öffentlicher Gebäude, wo die Polizei die Armee unterstützt. Wir haben Leute, deren Qualifikation ihnen es erlauben würde, andere Aufgaben zu erledigen, als das Außenministerium zu kontrollieren. Mir wurde gesagt, dass wir sechs Personen brauchen, um einen Vollzeitposten zu ersetzen. Diese Beamten fehlen an anderen Stellen. Hier will die Armee ein Berufsbild für Personen aufbauen, die keine Première haben, aber trotzdem Karriere in einem Bereich mit Perspektiven machen können. 

Sie sprechen die Armee an, könnte man sich zukünftig eine noch engere Zusammenarbeit vorstellen? Nach ihrer Grundausbildung auf dem Herrenberg wissen viele Soldaten nicht wohin. 

Durch die Bewachung entstehen sicherlich Schnittstellen, wir haben auch Schnittstellen bei der Organisation, dem Führungsmanagement und den Überstunden. Beim Rest muss ich ehrlicherweise passen, dafür bin ich noch nicht weit genug in der Materie. Die Polizei beteiligt sich aber auch an internationalen Missionen, beispielsweise im Mali. Dort war neben drei Soldaten auch ein Polizist während 14 Monaten im Einsatz. 

Unseren Informationen zufolge hatten Sie zusammen mit Ihrem Amtsvorgänger François Bausch (Déi Gréng) vor den Sommerferien eine Lösung für das Problem rund um die Karrieren gefunden, die alle Akteure arrangiert hätte. Es lag bereits ein Gesetzesprojekt vor, das jedoch am Veto des Ministers für den öffentlichen Dienst, Marc Hansen (DP), scheiterte. Gesetzesprojekt? 

Nein, es gab keine Lösung, die jeden zufriedengestellt hätte, diese Information ist falsch. Darüber wäre ich glücklich gewesen. Ich werde jetzt etwas vorschlagen, nachdem ich bei Herrn Hansen war. 

Uns wurde von mehreren Quellen mitgeteilt, dass vor den Ferien eine Lösung vorlag, die von Herrn Hansen mit Verweis auf die zu hohen Kosten komplett abgelehnt wurde. 

Ach, Sie meinen das Reclassement! Das war nie eingetütet, wer hat das denn behauptet? Dafür bedarf es Gesetzesänderungen und darüber kann ich gar nicht alleine entscheiden. Es gab keine Lösung, das war vielleicht eine Forderung. 

Bei den Zeitsparkonten gibt es Streit mit der Polizeigewerkschaft SNPGL, das wirft kein gutes Licht auf potenzielle Bewerber. Polizeigeneraldirektor Philippe Schrantz hat während einer Pressekonferenz eingeräumt, dass es bei den Stichproben zu Abweichungen gekommen ist, weil diese manuell eingetragen wurden. Die SNPGL hat eine Klage wegen „Usage de faux“ eingereicht. Sind Sie davon eigentlich persönlich betroffen? 

Nein, ich habe noch keine Klage gesehen, obwohl immer davon gesprochen wird. Ich habe der Gewerkschaft gesagt, dass ich nicht von Fälschungen ausgehe, denn sonst können wir unseren Deontologiekodex in den Mülleimer werfen. Dass jemand bewusst Zahlen manipuliert haben soll, um zu beschönigen, dass wir 106 statt 105 Überstunden geleistet haben, interessiert mich nicht, das habe ich auch in mehreren Besprechungen gesagt. Ich war am Hauptbahnhof, da gibt es ein Exel sheet, das quasi von selbst entstanden ist, wie das früher der Fall war. Wir waren bei der Police judiciaire und die haben ein anderes System für Überstunden. Das kann doch nicht sein! 


Der Präsident des Syndicat professionnel de la force publique, Pascal Ricquier, wirft dem Polizeimanagement grobe Verstöße gegen Arbeitsrecht sowie Fälschung vor.
Gewerkschaft wirft Polizei Gesetzesverstöße vor

Ich frage die Gewerkschaften aber auch immer, ob irgendein Polizist verletzt wurde. Die acht Stunden Ruhezeit sind für mich ein Tabu, die Gesundheit geht vor. Die Systeme werden jetzt abgeglichen. Es ist aber auch so, dass die Überstunden vom jeweiligen Beamten gegengezeichnet werden, das heißt, er weiß, dass er Überstunden leistet. Das Ganze ist keine Einbahnstraße, jeder ist in der Verantwortung.

Die vergessene Vereinbarung

Henri Kox dementiert im Interview, dass es eine Einigung zum Reclassement gab. Dem „Luxemburger Wort“ liegt indes der Vorentwurf eines Gesetzesprojekts vor, in dem vorgesehen ist, dass jene Polizisten, die aktuell zur Besoldungsgruppe C1 gehören und über einen Sekundarschulabschluss verfügen, rückwirkend auf den 1. August 2018 in die Kategorie B1 umklassiert werden. Auf Nachfrage lässt der Minister für den öffentlichen Dienst, Marc Hansen, wissen, dass er einen solchen Text nie zu Gesicht bekommen hat. Er habe mit den zuständigen Ressortministern und Gewerkschaftsvertretern diskutiert und die globale Situation beim öffentlichen Dienst erklärt. Anpassungen bei der Polizei hätten erhebliche Auswirkungen auf andere Verwaltungen, da es sich bei der Kategorie B1 um eine der größten Besoldungsgruppen beim Staat handele. Hansen gibt auch an, nie ein Reclassement der Polizisten mit Verweis auf die angeschlagenen Staatsfinanzen abgelehnt zu haben. Dieses Argument habe sich auf Prämienforderungen der Police judiciaire bezogen. Auch François Bausch dementiert die Existenz des uns vorliegenden Textes. MaH

Das ominöse Gesetzesprojekt zum Reclassement bei der Polizei.

Das ominöse Gesetzesprojekt zum Reclassement bei der Polizei.

Das ominöse Gesetzesprojekt zum Reclassement bei der Polizei.

Das ominöse Gesetzesprojekt zum Reclassement bei der Polizei.

Source Wort.lu

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