PRESSE Wort.lu Bodycams sollen vor allem abschrecken

LOKALES Steve Remesch 03/08/2021

Seit 2013 gibt es in Deutschland Pilotprojekte zum polizeilichen Einsatz von Bodycams. Im Saarland wird seit 2018 auf ein Modell gesetzt, das dem polizeilichen Gegenüber auch das Aufnahmebild zeigt.
Seit 2013 gibt es in Deutschland Pilotprojekte zum polizeilichen Einsatz von Bodycams. Im Saarland wird seit 2018 auf ein Modell gesetzt, das dem polizeilichen Gegenüber auch das Aufnahmebild zeigt. Foto: dpa

Während Luxemburg noch über Bodycams diskutiert, werden diese bereits seit Jahren von saarländischen Polizisten getragen.

Ob der Einsatz von Bodycams den tödlichen Ausgang des Polizeieinsatzes am Samstagabend in Ettelbrück verhindert hätte, ist fraglich: Am Ende einer Verfolgungsjagd nach einem Car-Jacking greift ein Mann zwei Polizisten mit einem Messer an. Ein Beamter schießt auf den Angreifer. Dieser stirbt später im Krankenhaus. 


Polizist erschießt mutmaßlichen Räuber in Ettelbrück

Dennoch wird in den Tagen nach den dramatischen Ereignissen die Forderung nach mobilen Videoüberwachungsgeräten für Polizisten laut. Wohl auch, weil es einer von mehreren Vorfällen in jüngster Zeit ist, bei denen Handyvideos von Zeugen bei den Ermittlungen offensichtlich größere Bedeutung zukommt. 

Dabei ist die Beweissicherung nur ein Nebeneffekt, wie Andreas Rinnert vom Landesbezirk Saarland der deutschen Gewerkschaft der Polizei (GdP), der rund zwei Drittel der saarländischen Polizeibeamten angehören, klarstellt: „Das offizielle erklärte Ziel der Bodycams ist es, durch den offenen, nicht versteckten Kameraeinsatz eine deeskalierende Wirkung herbeizuführen.“ 

Deeskalieren via den Bildschirm

Das polizeiliche Gegenüber sieht bei dem im Saarland eingesetzten Modell auf einem Bildschirm das, was die Kamera gerade aufzeichnet. Bei der Aufnahme leuchtet zudem ein deutlich erkennbares rotes Lämpchen auf dem Gerät auf. 

„Das vergegenwärtigt etwa einem betrunkenen, aggressiven Menschen, dass sein Verhalten dokumentiert wird“, skizziert Andreas Rinnert. „Und das Wissen, dass er gerade videografiert wird, soll eine Veränderung seines Verhaltens herbeiführen und idealerweise zu einer Entschärfung der Situation beitragen.“ 


Der Tatort befindet sich an einer Bushaltestelle zwischen dem Rathaus und der Grundschule von Ettelbrück.
Zeugen nach tödlichem Schuss in Ettelbrück gesucht

Im Anschluss sei das Benutzen dieses Videos in einem Strafprozess dann quasi ein Nebenprodukt. „Aber das ist nicht der primäre Zweck“, betont Rinnert. „Der liegt darin, angespannte Situationen schon im Keim zu ersticken.“ 

Im Saarland tragen Polizisten, die mit einem derartigen Videogerät ausgestattet sind, an Vorder- und Rückseite ihrer Uniform den Schriftzug „Videodokumentation“. Das Saarland hatte 2015 einen Pilotversuch eingeleitet und seit 2018 kommen dort Bodycams im alltäglichen Dienst zum Einsatz. 

Tragen und Einschalten der Kamera ist freiwillig

Das Tragen der Kamera ist für Beamte strikt freiwillig. Dass jeder Polizist Zugriff auf ein derartiges Gerät hat, bleibt aber weiter Wunschdenken: Neben der Anschaffung schlägt auch die Schulung der Beamten ins Geld.


Ausschreitungen bekommen Nachspiel

Beim Einschalten läuft die Bodycam in einem Stand-by-Modus. Der Bildschirm ist angeschaltet, das Gerät zeichnet eine zeitlich begrenzte Schleife auf, die sich automatisch immer wieder löscht. „Wenn es dann zu einer Eskalation kommt und der Polizist drückt den Aufnahmeknopf, dann bleibt dieser Zeitraum der Voraufnahme erhalten“, erklärt GdP-Gewerkschafter Rinnert. Die Dauer der Loop-Aufnahme unterliegt der dienstlichen Verschwiegenheit. 

Wenn die Situation es zulässt, ist der Beamte angehalten, darauf hinzuweisen, dass eine Bild- und Tonaufnahme stattfindet – unabhängig vom Schriftzug auf der Uniform, der offensichtlichen Bildschirmanzeige und des roten Lämpchens an der Kamera. 

Vorgesetzter darf Bildmaterial einsehen

Das Bildmaterial darf von einem Vorgesetzten eingesehen werden. Wenn die Bilder irrelevant sind, sieht das Gesetz vor, dass die Aufnahmen unverzüglich gelöscht werden. Nach spätestens einem Monat macht das Gerät das dann auch selber. 


In den USA zählen Bodycams vielerorts seit Jahren zum Polizeistandard. Das gleiche Modell wie in den USA ist auch seit 2017 in Baden-Württemberg im Einsatz.
Bodycams lassen weiter auf sich warten

Während die Aufnahmen zunächst nur im öffentlichen Raum erlaubt waren, ist der Bodycam-Einsatz seit Oktober 2020 auch in Privatwohnungen erlaubt – aber nur bei dringendem Verdacht auf eine Gefahr für Leib und Leben. „Der klassische Fall von häuslicher Gewalt ist eine Situation, in der Polizisten sehr oft angegriffen werden“, verbildlicht Andreas Rinnert. Ein Richter muss in diesem Fall aber nachträglich über die Zulässigkeit der Aufnahme entscheiden. 

GdP: „Kameras sind Mehrwert“

Bei der Gewerkschaft der Polizei zieht man denn auch eine sehr zufriedene Bilanz der Einführung der Bodycams. „Die Kameras haben einen sehr großen Mehrwert“, betont er. „Keiner von uns Polizisten ist interessiert, eine Situation eskalieren zu sehen.“ 

Zur Freiwilligkeit der Benutzung trage entscheidend bei, wie anwenderfreundlich, ausgereift und auf die polizeidienstliche Nutzung ein derartiges Gerät ausgelegt ist.

Besonders wichtig sei auch, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen geprüft seien. „Es muss klar sein, was wann und wo gemacht werden darf und was nicht“, unterstreicht Andreas Rinnert. „Unsicherheiten sind fatal.“

Source Wort.lu

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