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Halbzeitbilanz POLITIK Marc Hoscheid 29/08/2021

"Wir brauchen mehr Polizeibeamte vor Ort", fordert der sicherheitspolitische Sprecher der CSV-Fraktion Léon Gloden.

„Wir brauchen mehr Polizeibeamte vor Ort“, fordert der sicherheitspolitische Sprecher der CSV-Fraktion Léon Gloden. Foto: Polizei

Léon Gloden von der CSV und Stéphanie Empain von den Grünen bewerten Regierungsarbeit zu Sicherheit und Verteidigung ganz anders.

Es gibt wohl kaum ein Thema, das ähnlich emotional und subjektiv diskutiert wird wie das persönliche Sicherheitsempfinden der Bürger. Denn wer selbst Opfer eines Verbrechens geworden ist, den tröstet auch der Verweis auf global sinkende Zahlen nicht.

Einen solchen Verweis gibt es im Koalitionsprogramm von 2018 mit Blick auf eine statistische Analyse der Periode zwischen 2014 und 2017. Doch in den vergangenen beiden Jahren gab es einen Anstieg, wie der CSV-Abgeordnete Léon Gloden bemerkt und angesichts der Corona-Pandemie als unverständlich kritisiert. „Für uns ist Sicherheit ein Teil der Lebensqualität“, unterstreicht der sicherheitspolitische Sprecher der CSV-Fraktion. Dass es nach wie vor lokale Brennpunkte gibt, führt Gloden unter anderem darauf zurück, dass es seit 2018 mit Etienne Schneider (LSAP), François Bausch und Henri Kox (beide Déi Gréng) drei Polizeiminister und somit keine Kontinuität gegeben habe.

Mehr Polizeipräsenz vor Ort gefordert

Um die Situation zu verbessern, brauche es ein Bündel an Maßnahmen. In erster Linie fordert Gloden mehr Beamte vor Ort. „Henri Kox sagt zwar, dass im hauptstädtischen Bahnhofsviertel 20 zusätzliche Polizisten eingesetzt werden, aber er verschweigt, dass diese von anderen Stellen abgezogen wurden.“ Dies gehe oft zulasten des ländlichen Raums, wo durch die Abschaffung der Commissariats de proximité Basisaufgaben wie Geschwindigkeitskontrollen oder Präventionsarbeit auf der Strecke blieben.  Die Präsenz vor Ort könne auch nicht durch das 2018 eingeführte e-commissariat ersetzt werden.  Henri Kox sagt zwar, dass im hauptstädtischen Bahnhofsviertel 20 zusätzliche Polizisten eingesetzt werden, aber er verschweigt, dass diese von anderen Stellen abgezogen wurden.   Léon Gloden

Auch die Rekrutierungspolitik bis 2023 sieht Gloden kritisch, weil diese die Abgänge, in erster Linie die altersbedingten, nicht berücksichtige. Neben mehr Personal brauche es sowohl technische als auch gesetzliche Anpassungen. Dazu zählen die Einführung von Bodycams und Tasern sowie des Platzverweises. Vor allem die Bodycams würden „Shitstorms“ wie es sie wegen des rezenten Zwischenfalls in Ettelbrück, der für einen Tatverdächtigen tödlich endete, verhindern und sowohl die mutmaßlichen Täter, als auch die Polizisten schützen.Leon Gloden ist sicherheitspolitischer Sprecher der CSV-Fraktion.  Leon Gloden ist sicherheitspolitischer Sprecher der CSV-Fraktion. Foto: Gerry Huberty

Beim Platzverweis verhalte sich vor allem die DP inkohärent: „Auf lokaler Ebene unterstützt die DP die Bodycams, die Videoüberwachung und den Platzverweis, die Liberalen äußern sich im Parlament auch positiv darüber, stimmen dann aber dagegen. Parteipolitik ist bei Sicherheitsfragen allerdings ein großer Fehler.“ 

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die im Koalitionsabkommen als fundamentales Element der Polizeiarbeit bezeichnet wird, funktioniere grundsätzlich gut, habe aber während der Corona-Krise gelitten. Neben Henri Kox stehe hier auch Corinne Cahen (DP) als Ministerin für die Großregion in der Pflicht.

Mit Blick auf die Verteidigungspolitik kritisiert Gloden, dass die Regierung sich nicht zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO bekennt. „Hier merkt man, dass sich grüne Minister schwer tun und eher halbherzig handeln.“ Auch wenn das starke Engagement im Bereich der Entwicklungshilfe begrüßenswert sei, greife es dennoch zu kurz, diese einfach in die Militärausgaben hineinrechnen zu wollen.

Kritik am Zwei-Prozent-Ziel 

Stéphanie Empain (Déi Gréng), Präsidentin der parlamentarischen Kommission für Innere Sicherheit und Verteidigung, widerspricht der weit verbreiteten Auffassung, dass ihre Partei ein Problem mit der Armee habe. Das Zwei-Prozent-Ziel bezeichnet sie dennoch als illusorisch und fehlgeleitet, weil es für ein kleines Land wie Luxemburg nicht möglich sei, Projekte zu finden, die einerseits teuer genug sind und andererseits nicht zu viel Personal benötigen.


Halbzeitbilanz

Beim Observationssatelliten LUXEOSys handele es sich nicht um eine Fehlinvestition, sondern eine Fehlentwicklung. Eine parlamentarische Untersuchungskommission schließt sie angesichts der Mehrkosten von 139 Millionen Euro zwar nicht aus, angesichts der anstehenden Herausforderungen handele es sich dabei aber nicht um eine Priorität.

Die Kritik an der längeren Rekrutierungszeit weist Empain zurück. Dabei handele es sich eher um Einzelfälle. Dass das Ziel, den Frauenanteil in der Armee zu erhöhen, noch nicht im gewünschten Maße gelungen ist, bedauert Empain. Sie gibt aber zu bedenken, dass dies in allen Sicherheitsberufen ein Problem darstellt. Dass vermehrt Zivilisten eingestellt werden sollen, betrachtet die ehemalige Angestellte beim Generalstab nicht als Problem, da man auch als Außenstehender schnell akzeptiert werde.

Bei der Inneren Sicherheit stünden die Grünen bei den Bodycams nicht auf der Bremse, sondern forderten, mit Blick auf den Datenschutz, lediglich eine detaillierte Analyse, die auch auf Erfahrungen aus dem Ausland basiert. Hotspots könnten nicht nur durch mehr Polizeipräsenz entschärft werden, dies müsse zudem durch präventive Maßnahmen begleitet werden. 

Einig sind sich Empain und Gloden in der Einschätzung, dass sowohl bei Armee als auch Polizei vor allem in den Bereichen Rekrutierung und Erneuerung der Infrastrukturen angesetzt werden muss. Auch die Anschaffung des Militärflugzeugs A400M bewerten beide als richtige Entscheidung.

Selbstgesteckte Regierungsziele

Im Koalitionsabkommen nehmen die Bereiche Innere Sicherheit und Verteidigung mit insgesamt rund fünf Seiten einen eher überschaubaren Raum ein. 

Mit Blick auf die Innere Sicherheit heißt es zu Beginn, dass es sich bei der persönlichen Sicherheit laut Europäischer Menschenrechtskonvention um ein Grundrecht handelt. Die Polizeiarbeit beinhalte sowohl einen präventiven als auch einen repressiven Aspekt. 

Eine Polizeireform soll dazu führen, dass die Sicherheit sowohl im ländlichen als auch im urbanen Raum gewährleistet ist. Zu diesem Zweck sollen auch die Rekrutierungsprozedur überarbeitet, die Infrastrukturen erneuert, sowie der Handlungsspielraum der Beamten erweitert werden.

Beim Bereich Verteidigung wird unterstrichen, dass Luxemburg, im Rahmen seiner internationalen Verpflichtungen, innerhalb von EU und NATO ein solidarischer und zuverlässiger Partner sein will. Die Armee soll außerdem ihrer sozialen Rolle gerecht werden und im nationalen Katastrophenfall Aufgaben übernehmen können. Zudem soll die Rekrutierung von Frauen forciert werden.

Source Wort.lu

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