Das dritte Auge für Polizisten LOKALES Steve Remesch 21.05.2022
Welches Kameramodell eingesetzt werden soll, ist noch nicht geklärt. Im Saarland wird seit 2018 auf ein Modell gesetzt, das dem polizeilichen Gegenüber auch das Aufnahmebild zeigt. Foto: dpa
Dem „Luxemburger Wort“ liegt das Gesetzesvorprojekt zum polizeilichen Einsatz von Bodycams vor.
Noch vor den Sommerferien soll das Gesetzesprojekt zum Einsatz von Bodycams bei der Polizei fertiggestellt sein. Das hat der Minister für innere Sicherheit, Henri Kox (Déi Gréng), diese Woche am Rande einer Pressekonferenz bestätigt.
Anders als in den Vorjahren angekündigt, wird es aber keine Testphase geben, so Kox. Flächendeckend wird jeder einzelne Polizist eine eigene Kamera erhalten. Das Tragen ist Pflicht. Der Anschaffungspreis für die mehr als 2.000 Geräte soll bei sechs bis sieben Millionen Euro liegen.
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Fünf neue Gesetze, die den Rechtsstaat schützen sollen
Auf den ersten Blick erinnert die Ankündigung von Kox an andere Versprechen in diesem Kontext aus den vergangenen Jahren. Es ist ein Projekt, dass sich, seit es vor mehr als fünf Jahren ins Gespräch gebracht wurde, auf der „letzten Zielgeraden“ befindet – zumindest wenn man den politischen Verantwortlichen zuhört.
Im April 2017 ist sie Gegenstand einer Petition, im Dezember 2017 kündigt der damalige Minister für innere Sicherheit, Etienne Schneider (LSAP) an, dass die Kamera kommen wird.
Im Juli 2018 verspricht er für September 2018 ein Pilotprojekt mit Bodycams für die Polizisten im Bahnhofsviertel zu starten. Ein Jahr später ist es immer noch nicht so weit, aber Schneider erklärt, die gesetzliche Basis sei nun spruchreif.
Polizei bekommt im September Bodycams
Unter Polizeiminister François Bausch (Déi Gréng) heißt es 2019, dass mit Hochdruck an der gesetzlichen Grundlage gearbeitet werde. Dessen Nachfolger und derzeitiger Minister für innere Sicherheit erklärte dann im Juni 2021, Sinn und Zweck der Kameras müssten erst einmal festgelegt werden – und er verweist wie auch schon seine Vorgänger auf mit dem Datenschutzgesetz einhergehende Schwierigkeiten.
Das Plädoyer des Polizeichefs
Wenige Monate später, am 5. Oktober 2021, ist es dann Generaldirektor Philippe Schrantz, der bei der Patronatsfeier der Polizei ein überraschend flammendes Plädoyer für die Einführung der Bodycams hält. Dabei streicht er hervor, dass diese mobile Überwachungsgeräte sowohl dem Schutz des Polizisten zugutekomme, als auch der Transparenz für den Bürger.
Polizeidirektor mit flammendem Plädoyer für Bodycams
Das Argument ergibt Sinn: Wer weiß, dass er bei seinem Vorgehen gefilmt wird, überlegt sich zweimal, was er tut – ganz gleich, ob als Polizist oder als Bürger. Gleich im Anschluss an die Rede von Schrantz bei der Michelsfeier verweist Minister Kox darauf, dass noch immer Beratungsgespräche laufen würden.
Hinter vorgehaltener Hand heißt es an diesem Tag, dass in Sachen Bodycam seit dem Versprechen von Etienne Schneider weder dieser noch seine Nachfolger tatsächlich viel Konkretes zu Papier gebracht hätten. Die Dringlichkeit hätten allerdings mehrere dramatische Vorkommnisse in den Monaten zuvor bereits mehr als verdeutlicht.
IGP empfiehlt Suspendierung von beschuldigtem Beamten
An Nationalfeiertag 2021 war es etwa in der Altstadt zu schweren Ausschreitungen zwischen Jugendgruppen und der Polizei gekommen. In der Folge wurde dabei auch gegen einen Polizisten ermittelt. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen wurden vorrangig durch Augenzeugenvideos in sozialen Medien dokumentiert, die stets nur wenige Momentaufnahmen zeigten. Bodycams hätten hier unbestritten die Strafverfolgung vereinfacht. Zudem hätten diese möglicherweise von Beginn an eine deeskalierende Wirkung haben können.
Eine raschere Klärung hätten sie auch nach einem dramatischen Vorfall im August 2021 in Ettelbrück ermöglicht. Polizisten waren von einem Mann mit einem Messer angegriffen worden. Als ein Beamter daraufhin das Feuer auf den Mann eröffnete und ihn dabei tötete, geschah dies, den inzwischen abgeschlossenen Ermittlungen zufolge, in absoluter Notwehr. Auch hier hatten Handyvideos von Augenzeugen bei den Untersuchungen eine entscheidende Rolle gespielt.
Gesetzesvorprojekt gewährt Einblick
Die Ereignisse dürften dann auch maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Bodycams nun tatsächlich in naher Zukunft flächendeckend zum Einsatz kommen sollen. Dem „Luxemburger Wort“ liegt das Gesetzesvorprojekt zur Änderung von Artikel 43-bis des Polizeigesetzes vor, mit dem die Bodycams eingeführt werden sollen.
Grundgedanke ist es, es der Polizei in allen Situationen zu ermöglichen, Videoaufnahmen zu tätigen, wenn es zu Vorkommnissen kommen kann.
Alte Versprechen für das Bahnhofsviertel
Laut dem Avant-projet de loi soll die Aufnahme von Bild und Ton nicht permanent sein. Sie kann dann gestartet und gestoppt werden, wenn es notwendig ist. Die Kameras sollen sichtbar getragen werden. Die Inbetriebnahme soll allen Anwesenden mündlich mitgeteilt werden – falls die Umstände das erlauben. Überdies wird der Aufnahmebetrieb beim Beginn durch ein Tonsignal und während der Aufnahme durch ein Leuchtsignal erkennbar.
Konkret soll sich die Kamera im Normalfall in einer Art Stand-By-Modus befinden. Dieser zeichnet dann immer Sequenzen mit einer Dauer von 30 Sekunden in einem temporären Speicher auf, die dann immer wieder überspielt werden. Drückt ein Polizist den Auslöser, um die Aufnahme zu starten, werden die vorangegangen 30 Sekunden mit auf einen festen Speicher übertragen. Diese sind dann Bestandteil der Aufnahme.
Bodycams für mehr Transparenz?
Der Speicher ist geschützt. Dadurch soll die Integrität der Bild- und Tonaufnahme gewährleistet bleiben. Zudem werden auch sämtliche Datenzugriffe protokolliert. Jeder Zugriff muss schriftlich begründet werden. Zugriff auf die Kameras und deren Inhalt haben nur derjenige Beamte, der die Kamera trägt sowie Personen, die dazu vom Generaldirektor bestimmt werden. Gesichtet werden dürfen die Bilder aber nur, wenn sich dies im Rahmen der Missionen der Polizei als erforderlich erweist.
Automatische Datenlöschung mit Ausnahmen
Gespeicherte Daten werden nach 28 Tagen automatisch gelöscht, es sei denn, sie sind zu diesem Zeitpunkt bereits Gegenstand einer Vorermittlung – sowohl im strafrechtlichen wie auch im disziplinarrechtlichen Bereich, heißt es im Gesetzesvorprojekt.
Bodycams für mehr Transparenz?
Es gibt aber eine bemerkenswerte Ausnahme: Aufnahmen von Großeinsätzen dürfen mit der Genehmigung des jeweiligen Kameraträgers und des Polizeigeneraldirektors sowohl zur Analyse der Geschehnisse als auch zu Schulungszwecken genutzt werden.
Die Verwahrdauer beträgt dann maximal zehn Jahre. Wenn bei Aufnahmen, die zu Schulungszwecken genutzt werden, eine Person identifizierbar ist, muss diese auf unwiderrufliche Weise unkenntlich gemacht werden.
Das Gesetzesvorprojekt wurde am vergangenen 28. April der Polizeigeneralinspektorin, der Polizeigewerkschaft und den verschiedenen Personalvertretungen in der Polizei übermittelt. Diese hatten bis zum 11. Mai Zeit, dazu Stellung zu beziehen.
SNGPL befürwortet Bodycams
Auf Nachfrage des „Luxemburger Wort“ bestätigt SNPGL-Präsident Pascal Ricquier die Existenz des Gesetzesvorprojekts. Der Syndicat National de la Police Grand-Ducale befürworte natürlich die Einführung von Bodycams als Einsatzmittel, betont Ricquier. Bedenklich findet der Gewerkschafter aber die praktische Organisation des Einsatzes, so wie sie derzeit von Minister Kox in Aussicht gestellt werde.Wir sind überzeugt, dass die Kamerabilder nur auf Anordnung der Staatsanwaltschaft gesichtet werden sollten.SNPGL-Präsident Pascal Ricquier
„Der Betrieb und die Auswertung der Kameras soll von der Visupol-Abteilung der Polizei übernommen werden“, erklärt er. Das ist jene Dienststelle, welche derzeit die Überwachungskameras an öffentlichen Orten in der Hauptstadt bedient.
Visupol-Überwachungskameras werden rechtlich aufgewertet
„Wir befürchten aber, dass der Minister, den Aufwand, der mit dem Betrieb von mehr als 2.000 Kameras einhergeht, unterschätzt“, fährt Ricquier fort. „Wenn diese Einheit nicht entsprechend aufgestellt wird, dann ist das Projekt zum Scheitern vorbestimmt.“ Der polizeiliche Betrieb von Bodycams gehe weit über das morgendliche Befestigen an der Uniform und das abendliche Ablegen hinaus.
Welche Kameras in Luxemburg zum Einsatz kommen sollen, sei noch nicht abschließend geklärt. „Die allermeisten Kameramodelle, die in diesem Bereich im Ausland zum Einsatz kommen, sind technisch gute Geräte“, betont Ricquier. „Es gibt aber große Unterschiede bei der Bedienung und beim Einsatzzweck. Daher ist es ungeheuer wichtig, die Kaufentscheidung präzise und kompromisslos am angedachten Einsatzzweck zu orientieren.“
Pascal Ricquier hat aber noch in einem anderen Punkt Bedenken: „Wir sind überzeugt, dass die Kamerabilder nur auf Anordnung der Staatsanwaltschaft gesichtet werden sollten“, betont der SNPGL-Präsident. „Nur so können wir einen Missbrauch der Bilder verhindern.“