Wenn private Handydaten als Beweismittel dienen Neues Gesetz in Prüfung

Emery P. DALESIO

Dürfen Polizeibeamte künftig Verdächtige auffordern, ihr Handy zu entsperren? Das wird zurzeit diskutiert.
Dürfen Polizeibeamte künftig Verdächtige auffordern, ihr Handy zu entsperren? Das wird zurzeit diskutiert. Foto: Steve Remesch/LW-Archiv

Sollen Personen, die Behörden Zugang zu ihrem Handy verweigern, bestraft werden? Im Ausland ist das bereits der Fall. Luxemburg überlegt.

In Luxemburg wird gerade geprüft, ob Personen, die sich weigern, ihr Mobiltelefon zu entsperren, obwohl die Behörden Zugang zu ihren persönlichen Daten verlangen, bestraft werden sollen – so, wie es bereits in Frankreich oder Belgien der Fall ist.

Sollte das Großherzogtum eines Tages ein Gesetz annehmen, das die Bürger dazu verpflichtet, ihre persönlichen Daten auf Mobiltelefonen anhand von Pincodes, Fingerabdrücken oder Gesichtserkennung zu entsperren, muss ein Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit der Verbrechensbekämpfung und dem Recht, zu schweigen, gefunden werden. 

Justizministerin Sam Tanson und der Minister für innere Sicherheit, Henri Kox (beide Déi Gréng), hatten kürzlich in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage des LSAP-Abgeordneten Dan Biancalana erklärt, dass die Weigerung von Verdächtigen, ihre Telefone zu entsperren, die Arbeit der Kriminalpolizei behindern könne. „Eine Regelung, wie sie bereits im französischen Strafgesetzbuch vorkommt, ist möglich und wird im Hinblick auf eine mögliche künftige Integration in das luxemburgische Gesetz in Betracht gezogen.“


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Im November entschied Frankreichs höchstes Berufungsgericht, dass ein Mann, der wegen Cannabisbesitzes verurteilt wurde, ebenfalls bestraft werden könne, da er den Zugang zu seinem Telefon verweigert hatte. Dafür sind in Frankreich bis zu drei Jahre Haft sowie eine Geldbuße von bis zu 270.000 Euro vorgesehen. Die Strafen können aber wesentlich höher ausfallen, wenn jemand auf Aufforderung hin den Zugang zu seinem Gerät verweigert und die Staatsanwaltschaft eine anschließende Straftat als vermeidbar ansieht.Seit 2005 ist der Spezialist für Europäisches und Internationales Strafrecht, Prof. Dr. Stefan Braum, an der Universität Luxemburg tätig. Seit 2005 ist der Spezialist für Europäisches und Internationales Strafrecht, Prof. Dr. Stefan Braum, an der Universität Luxemburg tätig. Foto: Guy Jallay

Das luxemburgische Recht erlaubt es bereits, Strafen gegen Telefongesellschaften oder andere Personen, gegen die nicht ermittelt wird, auszusprechen, wenn diese sich weigern, bei der Entschlüsselung von Daten zu helfen. Dies kann mit bis zu 125.000 Euro geahndet werden, so die Minister. Sie wollten jedoch keine Auskunft darüber geben, ob sie beabsichtigen, dies auch auf unkooperative Mobiltelefonbesitzer auszudehnen. Ein solch schneller Schritt scheint unwahrscheinlich, sagt Stefan Braum, Professor für Strafrecht an der Universität Luxemburg. „Das würde mich sehr wundern“, meint er im Interview und betont, dass ein solches Vorgehen politisch keinen Sinn ergebe. 

Verstoß gegen die Menschenrechte?

Das Gesetz ist auch in Frankreich umstritten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg prüft denn auch bereits, inwiefern es gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstößt, da es die Angeklagten dazu zwingt, ihre persönliche Freiheit zu riskieren.

„In Strafverfahren haben wir einen wichtigen Grundsatz, nämlich das Recht, zu schweigen“, erklärt Braum. „Man kann nicht jemandem drohen, dass es negative Konsequenzen haben könnte, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht […].“ In Strafverfahren haben wir einen wichtigen Grundsatz, nämlich das Recht, zu schweigen.Stefan Braum, Professor für Strafrecht an der Luxemburger Universität.

Dieser Grundsatz soll die Behörden davon abhalten, unschuldige Menschen zu beschuldigen, zum Sündenbock zu machen oder gar zu inhaftieren, so Ilze Tralmaka, EU-Strafrechtlerin der Gruppe Fair Trials in Brüssel. „Die Strafjustiz ist überlastet […] daher wird sich zunehmend auf die Mithilfe der Verdächtigen selbst verlassen“, sagte Tralmaka, deren Gruppe die Rechte der ungerechtfertigten Inhaftierungen verteidigt.


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„Das ist etwa der Fall, indem man ihnen sagt, dass sie eine geringere Strafe bekommen, wenn sie gestehen und auf ein Verfahren verzichten. Dinge, bei denen es rechtliche Verpflichtungen gibt, die Ermittlungen aktiv zu unterstützen. Dies führt zu Justizirrtümern, es gibt eine Vorstellung, dass keine unschuldige Person jemals gestehen oder kooperieren wird“, so Tralmaka. „Aber wenn man mit einer möglichen Strafe von 270.000 Euro konfrontiert wird, weil man sich weigert, sein Telefon zu entsperren, möchte ich eine Person mit durchschnittlichem Gehalt sehen – und ich spreche nicht einmal vom Mindestlohn –, die sagt: ‚Ich werde mich dem widersetzen.‘“

Gerichte in Belgien, England und Frankreich haben entschieden, dass der Schutz vor Selbstbelastung nicht gilt oder nicht wesentlich beeinträchtigt wird, wenn von Verdächtigen ein Pincode oder biometrische Daten verlangt werden. Ermittler dürften einem Verdächtigen Handschellen anlegen und seinen Daumen auf den Fingerabdruckscanner seines Smartphones drücken, entschied der Oberste Gerichtshof der Niederlande vor zwei Jahren. Dies sei etwas anderes, als jemanden zu zwingen, in einer Aussage die Zahlen oder Symbole seines Zugangscodes preiszugeben, entschied das Gericht. Ein in Irland eingeführtes Gesetz würde die Befugnisse zur Anforderung von Telefonpasswörtern auf Ermittler ausweiten, die gegen Unternehmen oder Wettbewerbsverstöße ermitteln.

„Im Grunde genommen bedeutet das, dass die Verdächtigen aktiv an den Ermittlungen gegen sie selbst teilnehmen müssen, weil es für die Ermittler heutzutage einfach schwierig ist, dies allein zu tun“, so Tralmaka.

Source Wort.lu

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